BlogBaidu vs. Google - Ein Vergleich

Baidu vs. Google – Ein Vergleich

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Google hat sich nun also aus rein humanitären Gründen dazu entschlossen, den chinesischen Markt zu verlassen, weil man plötzlich nicht mehr einsehen will, warum man Suchergebnisse zensiert (oder zensieren lassen soll). Über die wahren Gründe mag man spekulieren – ist das ein geordneter, geschäftspolitisch sinnvoller Rückzug? Steckt Druck aus Washington dahinter? Oder wird Google mit anderen Mitteln unter Druck gesetzt?
Der grösste Konkurrent von Google in China heisst Baidu (baidu.com) (百度 = „hundert Mal“ – hat aber bestimmt noch eine andere Bedeutung), und der ist, so heisst es, in staatlicher Hand und hat heuer den Alexa-Rank 8 – will heissen, die chinesische Ausgabe von Baidu wird in Sachen Seitenaufrufe nur von 7 Seiten auf der Welt übertroffen (als da wären Google, Facebook, Yahoo, YouTube, Live, Wikipedia und Blogger – ausser Wikipedia alles .com).
Baidu versucht auch seit Jahren Fuss in Japan zu fassen – auf unseren Servern in der Firma wimmelt es nur so vor Baidu-Spiders – hat aber soweit noch keinen Erfolg. Und es ist fraglich, ob sich das ändern wird: Baidus sales point in Japan ist, dass nur Baidu sich wirklich mit Algorithmen auskennt, welche leerzeichenlose, japanische und chinesische Sätze auseinanderklamüsern können. In einem Punkt ist dabei – nach eigenen Tests – Baidu gelegentlich auch besser als Google oder Yahoo in Japan: Baidu sucht mehr nach Inhalten, bewertet also Seiten wie Social Bookmark-Sites (hatena.jp zum Beispiel oder aber auch Goo, Excite usw.) geringer. Ausserdem ist Baidu im Gegensatz zu Google nicht ständig damit beschäftigt, firmeneigenen Kram wie YouTube oder Blogger.com nach oben zu pushen (entschuldigt die Anglizismen). Die Wahrscheinlichkeit, nach einer Suche mit Baidu auf Anhieb auf einer brauchbaren Seite zu landen, erschien mir – in vielen Fällen zumindest – höher.
Nach dem Rückzug von Google interessierte mich nun doch brennend, was passiert, wenn man zum Beispiel nach dem Vorfall auf dem Tiananmen-Platz „baidugelt“. In Festlandschina werden die Seiten dazu ja gnadenlos herausgefiltert. Versuch eins (alles aus Japan heraus): Ich suche nach 「天安門事件」 – dem „Tian’anmen-Vorfall“. Übrigens gab es zwei davon – der bekanntere von 1989 wird offiziell richtig „六四天安門事件“ (64 Tian’anmen-Vorfall – 64 steht für 4. Juni) genannt. In Japan ist jedoch die Kurzform (siehe oben) bekannter. Also rein damit in baidu.jp – und hier ist das Ergebnis:


Die ersten Suchergebnisse sind allesamt kritisch – die Videos auf You Tube, der Eintrag in der Wiki usw. usf. Ähnliches (wenn auch ohne die Bilder oben) kommt heraus, wenn man nach 六四天安門事件 sucht, also dem vollen Namen.
Was passiert aber nun, wenn man – vom Ausland aus – auf der Originalseite von Baidu (baidu.com) sucht? Auf chinesisch ist der Vorfall schlicht als 六四事件 (64-Vorfall) bekannt. Und das kommt dabei raus:

Bitte auf die Domainnamen achten: people.com.cn, chinanews.com.cn und wahrscheinlich noch mehr sind regierungsnahe Seiten (Nr. 5 beschäftigt sich dabei mit einem chinakritischen Artikel im deutschen Internet). Ich habe nicht sehr weit gesucht, aber zumindest unter den ersten Seiten waren ganz offensichtlich keine kritischen Seiten. Das kann freilich mehrere Gründe haben:
1) Es gibt keine kritischen Seiten zu dem Thema auf Chinesisch. Darf bezweifelt werden – der chinesische Artikel zum Thema in der Wikipedia ist sehr umfangreich und kritisch
2) Weil kritische Seiten in China selbst nicht gesehen werden können, tauchen sie mangels Klicks auch im Ausland in der Suchmaschine nicht oben auf. Wäre zu überprüfen.
3) Baidu zensiert auf chinesisch – egal, ob im Land oder im Ausland gesucht wird.
Übrigens – wenn man die erste Seite der Suchergebnisse im chinesischen Baidu anklickt, landet man auf einer 404-Seite (Seite kann nicht gefunden werden). Schlüsse über obiges Gesagtes überlasse ich dem Leser. Doch Vorsicht: Auch im Falle Chinas gilt, zwei Mal überlegen, bevor man die chinesische Politik verurteilt: China ist gross und Peking weit weg.
Das Wort des Tages: 天安門事件 Tenanmon-Jiken. Der Tian’anmen-Vorfall.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

9 Kommentare

  1. Offiziell als Ursache für den Google Rückzug gilt ja ein Hackangriff der lt. Google aus China kam. Lt. Google hatte die Chinesische Regierung nicht „hinreichend“ zufriedenstellend auf die Beschwerde Google(s) reagiert.

    Sach mal, dass waren jetzt 5 mal Google in einem kleinen Abschnitt, puscht das jetzt auch deinen Artikel? ;)

  2. Jetzt wird es spannend, ob Google auch außerhalb Chinas ihre Anti-Zensur-Politik durchzieht, denn nicht nur das Land der Mitte zensiert gerne (auch wenn es so mit der größte Brocken ist), sondern auch einigen deutschen Nutzern wird ChillingEffects.org ein Begriff sein.

  3. Hallo, ich mag deinen Blog, weil er auch manchmal das Thema Politik behandelt. Bitte mehr davon:). Alles andere ist auch toll.

    Aber zum Thema: Ich habe sogar mal was von einer „Hybrid“-Suchmaschine gelesen. Google und Baidu zusammen.

  4. Man mag Google mögen oder nicht, eines kann man Ihnen aber nicht nachsagen. Das politische Befindlichkeiten in die Suchergebnisse einfliessen. Und das ist doch der springende Punkt. Internet-Suchmaschinen erfüllen eine wichtige Funktion zur Informationsvermittlung, sind diese nicht politisch unabhängig, sind die Gefahren der Informationsverfälschung und Zensur enorm. Das Google ein profitorientiertes Unternehmen ist und nicht ohne eigene Interessen, ist auch klar. Solange dies aber nicht zu Zensur und Unterdrückung von Informationen führt ist dagegen nichts einzuwenden.
    Auf deine Frage Baidu versus Google gibt es für mich darum nur eine Antwort; Google

    Oder Abacho, Alta Vista, Yahoo und Co.

  5. Google hat hier noch mit was anderem zu kämpfen, nämlich hat Google unerlaubterweise viele viele Bücher chinesischer Authoren eingescannt und ins Netz gestellt – die wollen jetzt Geld dafür haben… aber das nur mal so am Rande.

    Hackerangriff, Zensur… da muss noch was anderes dahinter stecken. Die Zensur ist ja nichts neues und Hackerangriffe sollte die Firma schon gewohnt sein. Der Rückzug von Google wird in China kaum mehr wahrgenommen als ein weiterer politischer Disput mit den USA. „Baidu“, „Hao“ und wie sie alle heißen sind google weit voraus in China, ähnlich wie „Naver“ und „CyWorld“ in Korea. Da müssen sich die Amis schon mit abfinden, dass man in Asien eben nicht so leicht in diese Domäne vordringen kann. Man bedenke nur wie viele Mrd. Microsoft in seine Konsolen pumpt, nur damit diese in Japan wahrgenommen werden (wobei mittlerweile doch einigermaßen erfolgreich)…

    Also, ich hab auch mal ge-baidut grad (bin in Hainan, Sanya) und hatte zwar leicht andere Ergebnisse, aber auch allesamt regierungsfreundlich. Die kritischen sing geblockt, da komm ich nur über spezielle proxys oder anonymisierungssoftware ran.

  6. Ich glaube nicht, dass der „Rückzug“ von Google nun unbedingt mit der Zensur Chinas zu tun hat. Das Image von Google hat im Westen wegen der Selbstzensur in China schon etwas gelitten. Das Ziel eines bestimmenden Marktanteils hat Google in China nicht erreicht. Das gleiche Angebot kann Google nun auch von Hong Kong aus in China angeboten werden mit dem Unterschied, dass man sich nunmehr keine Selbstzensur vorwerfen lassen muss.

    Leider fristen die Metasuchmaschinen ein bescheidenes Schattendasein. Die erheblichen Vorteile sind beim Verbraucher nicht wirklich angekommen. Ich denke, dass diese Suchwerkzeuge von Fachleuten genutzt werden, die sich nicht auf die Datenbak von Google beschränken lassen wollen.

  7. Gib mal auf baidu PUNKT com „falung gong“ ein – danach ist die ganze Website für eine Weile nicht mehr erreichbar. Anscheinend zensiert hier gar nicht baidu selbst, sondern die chinesische Firewall. Auf baidu.jp passiert das nicht…

    PS: warum ist baidu PUNKT com hier ein verbotenes Wort? o.O

  8. Gib mal auf baidu PUNKT com „falung gong“ ein – danach ist die ganze Website für eine Weile nicht mehr erreichbar. Anscheinend zensiert hier gar nicht baidu selbst, sondern die chinesische Firewall. Auf baidu.jp passiert das nicht…

    PS: warum ist baidu PUNKT com hier ein verbotenes Wort? o.O

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