BlogAbgehängt: Japan noch dieses Jahr von China überholt?

Abgehängt: Japan noch dieses Jahr von China überholt?

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Es ist schon erstaunlich, wie lange sich die Japan AG auf dem zweiten Platz in Sachen Wirtschaftsleistung halten konnte: Immerhin liegt Japan relativ abseits – bis vor 20 Jahren konnte man Süd- und Nordkorea, die Sowjetunion und die VR China nicht unbedingt zu brauchbaren Handelspartnern zählen – und hat so gut wie keine Bodenschätze. Und trotzdem mauserte sich die nach dem Krieg völlig am Boden liegende Nation zur zweitgrössten Wirtschaftsmacht.
Schaut man sich jedoch die gegenwärtigen Wachstumszahlen an, wird Japan allerdings diesen zweiten Platz auf sehr, sehr lange Zeit an China abgeben müssen.
Immerhin: Japans Wirtschaft (gemessen am Bruttosozialprodukt) wuchs im vierten Quartal des Jahres 2009 um beachtliche 4.6% im Vergleich zum Vorjahr – das dritte Quartal mit positivem Wachstum in Folge. Erste Stimmen wagen zaghaft, das Ende der Talfahrt vorherzusehen, warnen aber gleichzeitig vor Übermut: Der immernoch recht starke Yen sowie die Sorgen um den Euro (und damit um einen grossen Absatzmarkt) lassen hier nachwievor die Börse Achterbahn fahren. Das jetzige Wachstum verdankt man, wen überrascht es, auch nicht Amerika oder Europa (und erst recht nicht Toyota), sondern China sowie einer gewachsenen Nachfrage im Binnenmarkt, angetrieben von enormen Steuererleichterungen für abgasarme Autos (klingt bekannt?) und sogenannten Ökopunkten, dank deren verbrauchsarme Elektrogeräte ebenso vergünstigt werden.
Der Stellenmarkt erholt sich auch – allerdings eher schleppend. Der Stellenmarkt für Ausländer bzw. für Japaner, die in ausländischen Firmen arbeiten wollen, hinkt da noch weit hinterher: Die verbliebenen ausländischen Firmen sind zu einem guten Teil noch dabei, die Wunden der Rezession zu lecken. Und – alle Augen drehen sich nach China – Japans Bruttosozialprodukt lag im vergangenen Jahr bei knapp 5,1 Billionen USD (ein historischer Rückgang im Vergleich zum Vorjahr um 5%), das von China im gleichen Zeitraum bei guten 4,9 Billionen USD. Und – Chinas Wirtschaft wächst stärker.
Man mag es den Chinesen verzeihen: Schliesslich haben sie 10 mal so viele Einwohner wie Japan. Doch eins wird damit immer deutlicher: Japans wirtschaftliche Zukunft rückt näher – um rund 8,000 km. Die wirtschaftliche Expansion Chinas sollte und wird auch in Japan als äusserst wichtig für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung angesehen.
Das Wort des Tages: 追いつく oitsuku (Verb). Aufholen, einholen.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

3 Kommentare

  1. Naja, kein wunder, fast alle Waren kommen aus China.
    CHina hat ja schon Deutschland als Exportweltmeister überholt, ist nur eine Frage, bis China bei solchen Sachen auf den obersten Plätzen ist und bald wird CHinesisch als nächste Weltsprache anerkannt^^

  2. „… Japan AG …“

    Habe da mal – ist schon etwas her – einen Artikel gelesen, in dem wurde Japan als Globalisierungsparadoxon bezeichnet, weil sie, die Japaner, es schafften, überall auf der Welt fußzufassen, aber ihren eigenen Markt weitestgehend abzuschotten. (Dazu hätte ich selbst auch gerne mal etwas detailliertere Informationen!)

    „… zur zweitgrössten Wirtschaftsmacht. …“

    Das ist bzw. war mal wirklich etwas beeindruckendes. Ich glaube der Aufstieg Japans, stellt selbst das westdeutsche Wirtschaftswunder noch in den Schatten.

    „… beachtliche 4.6% …“

    Bin gespannt wie weit runter sie das revidieren werden.

    „… recht starke Yen …“

    Naja, so stark finde ich den Yen nun auch wieder nicht. Das blöde für die Japaner ist doch, daß sie eine auf den Finanzmärkten frei handelbare Währung haben und nicht so wie VR China einen fixen Wechselkurs festlegen, ansonsten spielen sie doch auch ganz gerne mal mit ihrer Währung rum, um ihre Exportwirtschaft zu unterstützen.

    „… Der Stellenmarkt erholt sich auch …“

    Also wie ich mal gelesen habe, tricksen die Japaner da auch ganz schön rum, wohl noch schlimmer als bei uns (D.). Und die Frage ist ja auch: Zu welchen Konditionen werden die neuen Leute eingestellt? In Japan soll der Trend ja auch mehr und mehr zu prekären Arbeitshältnissen gehen und diese auch noch mies bezahlt – kennt man mittlerweile auch bei uns (D.).

    „… alle Augen drehen sich nach China …“

    Zu recht, oder?

    „… Bruttosozialprodukt …“

    Wobei bei man ganz klar sagen muß, daß es in China noch die schiere Masse (an Menschen) ist, die es so groß erscheinen läßt.

    („… 10 mal so viele Einwohner …“)

    „… um rund 8,000 km …“

    Ich denke auch, daß Japan von der Nähe zu seinen neuen Märkten (wie VR China, aber auch ASEAN) profitieren sollte.

    Und trotzdem (ohne auf unsere eigene Situation in D. eingehen zu wollen): Japan steht vor g e w a l t i g e n Herausforderungen.

    Wirtschaftlich sowie demografisch usw. usf.!

    Eine überalterte Gesellschaft. Eine schon seit Jahren lahmende wirtschaftliche Entwicklung. Die exorbitante öffentliche Verschuldung. Neue Konkurenten auf dem Weltmarkt.

    Was mir in letzter Zeit aufgefallen ist: Immer, wenn es um die Staatsverschuldung Japans geht, wird gesagt, daß sich der japanische Staat hauptsächlich im Inland verschuldet hat. Dabei – so meine Eindruck – wird dann immer so getan, als ob Japan mit so „einbißchen“ Inflation diese auch wieder loswerden könnte, ohne es sich mit dem Ausland zu verscherzen. ABER was ist mit den Japanern, den Banken und dem Rentenfond, die wie die „Bekloppten“ die JGB (Japanische Staatsanlleihen) gekauft haben? Ich denke nicht, daß es denen scheißegal ist, ob die ihre „hart“ verdienten Yen wiederbkommen oder eben nicht.

    Das wäre schlicht und einfach: Enteignung!

    Wer würde dann für die Rentner aufkommen, deren Rentenansparungen sich im Nichts aufgelöst hätten?

    Sicherlich der Staat, was aber auch wieder die Sozialausgaben (und eine eventuelle neue Staatsverschuldung?) in die Höhe treiben würde.

    Ein Teufelskreislauf, oder?

    Und dann die Überalterung! Gut, da gibt es zwar Prognosen, die sagen, daß Japan in so und so vielen Jahren, was weiß ich wieviele Einwohner weniger haben wird; alles gut und schön, aber das alles ändert nichts der Überalterung der Gesellschaft!

    Die müßen einfach mehr Kinder bekommen, um die Bevölkerungszahl zumindest zu stabilisieren!

    Also: Durchhalten Tabibito (und all ihr anderen)! Japaner sind „Stehaufmännchen“; wobei man den Leuten ehrlich sagen muß, daß harte Jahre (vielleicht sogar Jahrzehnte) auf sie zu kommen werden, und der heutige Lebensstandard für viele nicht mehr sicher sein wird.
    Ein Halten wäre schon eine enorme Leistung!

    PS: So, das waren mal ein paar meiner Gedanken zu diesem Themenkomplex.

  3. @u.n.

    also eine fixe-wechselwährung ist alles andere als gut und gerade china reitet sich damit gerade unglaublich in die misere. der chin. yuan ist längst nicht das wert was auf dem papier steht und um den kurs fix zu halten zahlen die billionen. was mit china passiert wenn die inflation in amerika einsetzt und die ganzen dollar-investitionen nichts mehr wert sind und der kurs nicht mehr haltbar, das mag man gar nicht erst abschätzen… es hat schon seinen grund dass es kaum noch länder mit festen wechselkursen gibt…

    zu dem abbau der schulden mittels inflation: wann soll das denn bitte formuliert worden sein? in japan war das sicherlich nie die hoffnung, kämpft man doch seit jahren mit genau dem gegenteil und versucht mit allen mitteln eine deflation zu vermeiden.

    renteneinsparungen in luft auflösen? aufstände? enteignung? gab es doch schon alles. in amerika, in deutschland – irgendwie geht es immer weiter. die große depression sei nur ein beispiel. ist der staat die schulden los kann er sich neu aufbauen, da nimmt man schon ein paar schicksale mit in die gleichung auf.

    die müssen einfach mehr kinder bekommen… hehe, na wenn das so einfach wäre ;- )

    aber bei einem stimme ich zu: das wird nicht easy! auf jeden fall aber spannend.

    beste grüße, jakub

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