BlogVon falschen Weihnachtsmärkten, Godzilla und Bettlern

Von falschen Weihnachtsmärkten, Godzilla und Bettlern

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Auf der verzweifelten Suche nach einem Hauch Weihnachtsmarkt ging es heute zum Tokyo International Forum, denn dort findet momentan der Marché de Noël de Strasbourg a Tokyo – der „Strassburger Weihnachtsmarkt“ – statt. Um meinen Mitlesern, die sich auch im Raum Tokyo aufhalten und krampfhaft versuchen, ihren Kindern oder sich selbst so etwas wie vorweihnachtliche Stimmung vorzugaukeln, einen unnützen Weg zu ersparen, hier ein paar Zeilen dazu:
Was es gibt: Ca. 10 kleine Holzbuden und ein winziges Kinderkarussell. Dazu viel zu viele Leute.
Was es nicht gibt: Glühwein, weihnachtliche Stimmung, genügend zu essen.
Offener Brief an die Veranstalter: Schon mal was von Angebot und Nachfrage gehört? Schon mal mit dem Gedanken gespielt, das ganze zwei Fressbuden für einen grossartig angekündigten Weihnachtsmarkt im Zentrum von Tokyo unter gewissen Umständen nicht ganz ausreichen könnte? Nein? Ein Indiz dafür könnten die jeweils ca. 100 m langen Schlangen von Menschen sein, die verzweifelt versuchen, etwas zu essen zu fassen…
Nach einem anschliessenden Spaziergang im nahen Hibiya habe ich mal wieder eins festgestellt: Ich kenne Tokyo nicht. Wahrscheinlich weiss so ziemlich jeder Tagesbesucher der Stadt aufgrund vorangegangener Lektüre von Reiseführern und anderen Quellen, dass es in Tokyo ein Godzilla-Denkmal gibt. Ich wusste es bis dato jeweils nicht:

Gut 50 Jahre alt und noch immer topfit – Godzilla

Das ganze ist freilich nur eine Sache der Perspektive: In Wahrheit ist der Godzilla eher – wie sagt man so schön – „knuffig“: Das dem Gorilla-Wal-Mutanten hier also ein Monument errichtet wurde, ist eine leichte Übertreibung, aber es ist schon ein schönes Denkmal.

Godzilla-Denkmal in Hibiya

Im nebenan liegenden Hibiya-Park gab es dann noch ein Novum: Ich wurde erstmals in Japan um Geld angebettelt. In Deutschland und anderswo ist das, zumindest in einigen Städten und Stadtvierteln, völlig normal, aber in Japan habe ich das in all den Jahren noch nie erlebt (und ehrlich gesagt auch nicht erwartet). Vor knapp einem Jahr gab es ja im Hibiya-Park eine temporäre Zeltstadt massenhaft entlassener Leiharbeiter, doch wie es aussieht, sind ein paar der Leute dort geblieben. In dieser Angelegenheit bin ich allerdings nachwievor stur: Ich spende zwar regelmässig für Organisationen (z.Z. „Ärzte ohne Grenzen“), aber nicht für einzelne Personen. Was mich im nachhinein jedoch interessieren würde ist die Antwort auf die Frage, ob besagter Mann (ich tippe mal auf ein Alter um die 50) mich „angehauen“ hat, weil ich Ausländer bin, oder ob er auch seine Landsleute fragt. Obwohl „fragen“ nicht ganz passend formuliert ist: Er brachte es gleich auf den Punkt: „ねぇねぇ、お金チョーダイ!“ – Du da, gib mir Geld.
Das Wort des Tages: 物乞い – monogoi. – „um Sachen bitten“. Bettler, betteln.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

17 Kommentare

  1. Das gleiche Problem mit den Weihnachtsmärkten hab ich übrigens vor ein paar Tagen von den USA gehört. Da schein Weltweit noch Potenzial zu sein.

  2. Verschone mich einer mit Weihnachtsmärkten. War am Mittwoch Abend auf dem Basler Weihnachtsmarkt und was seh ich da eine Bude mit Thüringer Rostbratwürsten. Hmm mal was neues denk ich mir und probiere eins von den Dingern. Lecker und von beachtlicher Grösse.
    Das Nachspiel fand dann in meinem Badezimmer statt. Ich und meine Toilette, und jede Menge Charmin Comfort ),D in einer zum einen sehr kurzen, andererseits nie enden wollenden Nacht.

    UNd mein persönliches Fazit daraus. Weihnachtliche Stimmung findet man eher auf der eigenen Toilette als auf einem Weihnachtsmarkt.

  3. Ich als Nürnberger sage nur: auch zu Hause lohnt es nicht. Kalt, laut, teuer, ungemütlich, langweilig,… Naja und Busladungen von Japanern, aber die hab ich auch hier :D

  4. @Heydal

    TMI ;)
    Ich hoffe aber du hast dich „flott“ erholt. (Den Pun verstehen nur Leute aus meiner gegend ;) denke ich)

    Was denkst du war es? Madige Bratwurst, zuviel Fett oder alles auf einmal?

  5. Fotos von dieser Statue kannte ich, wusste aber nicht wo sie steht (kannst du es etwas genau beschreiben?).
    Eine größere Godzilla-Statue steht vor den Toho-Studios, ungefähr „mannshoch“, also auch viiiiiiiiiel zu klein ;)

  6. @ Michael

    Kann ich wirklich nicht sagen, müsste wohl zum objektiven Vergleich nochmal in eine Thüringer beissen. Muss da aber zuerst nochmal mit meinem Magen rücksprache halten. Eines ist aber klar, der Verzehr würde von mir so getimt das am nächsten Tag mein Arbeitgeber mein fernbleiben beklagt, statt ich meinen verlorenen freien Tag ),D

  7. Ich bin auch nach lediglich anderthalb Wochen schon am Bahnhof Tokyo angebettelt worden. Und der Herr sah auch echt furchterregend aus und ist ganz gezielt auf mich zu, weil ich gerade etwas im Reiseführer nachschlug. Hat auch irgendwas von „o kane“ gefaselt. War damals auch total überrascht, so was in Japan zu erleben.

  8. Jo, diese Herren Bettler haben es ausschliesslich auf Auslaender abgesehen. Nachdem ich letztes Jahr in Shibuya ziemlich aufdraenglich angebettelt wurde, hab ich mir das Ganze aus einiger Entfernung mal angesehen und siehe da: Der Typ quatschte ganz gezielt nur Gaijin an. Und weil er dachte, das diese ihn eh nicht verstehen, hat er das Ganze dann auch relativ unfreundlich zur Sprache gebracht. Umso erstaunter war er ueber meine ebenbuertige Antwort in Japanisch, die ich hier aber nicht wiederholen werde……
    Ich seh das alles eher locker: In 4 Jahren nur einmal angebettelt und das in einer Megacity. Bei jedem Einkaufsbummel im „Dorf“ Dortmund bin ich gleich mehrere Male angebettelt worden…..

  9. Yop ich habe das in Shibuya auch mal erlebt … koennte mir gut vorstellen, das da eine kleine handvoll Menschen verstanden hat, dass betteln im Westen normal ist und das Touristen generell eher grosszuegig sind …

    Und @ Tabibito: Ich werde mir dieses Jahr zum ersten Mal den deutschen Weihnachtsmarkt in Roppongi ansehen. Ich erwarte nicht viel … aber zumindest mal schauen :)

  10. lt. LAG ist betteln auch in Japan „üblich“ wobei ev. da ein unterschied in dem empfinden der Intensität besteht ;)

    Bin in Dortmund mal angesprochen worden mit dem Klassiker „Haste mal ne Mark?“
    Meine Antwort „Sorry bin Student“ wurde mit „Oh ‚tschuldigung! Vergiss das ich gefragt habe“ beantwortet, was wiederum mich stutzig machte.
    Da war keine Ironie drin oder so der hat das wohl echt ernst gemeint… :D

  11. ich war vor 3 Wochen in Japan und natürlich auch Tokio. Ich wusste vorher das es die Godzilla-Statue gibt (habe sie dann über Google-Street-View gefunden). Habe mir den genauen Standort notiert und bin dann von der Ginza (Metro Station Ginza) Richtung Sony Gebäude und unter der Brücke durch und dann links abgebogen und da war Godzilla auch gleich zu sehen. Habe natürlich auch Fotos gemacht.

  12. Die Godzilla-Statue ist super, Ehre, wem Ehre gebürt! Den Bettlern gehört verbal in den Arsch getreten, natürlich landessprachlich. So mache ich´s zumindest. War bisher 3 x der Fall, in 5 Jahren, ist also problemlos zu verschmerzen. In D sind diese Brüder zahlreicher und lästiger!

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