BlogBanales: Küchenmesser

Banales: Küchenmesser

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Soba-MesserKeine Ahnung, wieso ich heute darauf komme, aber manchmal ist mir auch danach, über Banales zu schreiben. Heute: Küchenmesser. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mir vorkam, als ich zum ersten Mal bei einer Familie in Japan eingeladen war – gegessen wurde in der Küche, und zubereitet wurde beim Essen bzw. andersrum. Die Mutter war vielleicht 155 cm oder so in etwa gross – und holte plötzlich ein Messer hervor, dass so lang und dick war wie ihr Unterarm.
„So gut kennt sie mich doch gar nicht, dass sie jetzt schon zu Mordwerkzeugen greift“ dachte ich damals. Schnell merkte ich jedoch, dass man in Japan gar nichts anderes kennt als grosse Messer. Andersrum wundern sich Japaner in Deutschland häufig, warum so grosse Menschen mit so winzigen Messern herumhantieren.
Die Messer hierzulande sind auch oftmals scharf, und ich meine scharf. Eine schmerzhafte Lektion. Ein sanftes Abrutschen, und schon kann man die Küchenarbeit für eine Stunde ruhen lassen, während man langsam ausblutet.
Hinzu kommt noch ein feiner Unterscheid: Die meisten Leute aus Deutschland, die ich kenne (mich eingeschlossen), schneiden zum Körper hin. Hier schneiden die meisten vom Körper weg. Habe das freilich auch ausprobiert – und siehe da, es geht wirklich wesentlich schneller.
Besonders schön sind in Japan die Soba-Messer (siehe Photo): Soba (Nudeln, meist aus Buchweizenmehl) werden gerade in Restaurants nicht selten selbst gemacht. Ohne Maschine – der Teig wird mit dem Messer geschnitten (die Nudeln sind nicht dicker als normale Spaghetti). Die Messer sind riesig und so schwer, das man – ausser zum Anheben – kaum Kraft braucht, um den Teig zu schneiden, denn das Eigengewicht verrichtet beinahe die ganze Arbeit.
Japan ist ja für seine Schwertschmiedekunst bekannt – das gleiche gilt freilich auch für Messer, oftmals mehrfach gefaltet, kunstvoll graviert usw. Die echten japanischen Messer muss man übrigens pflegen, denn sie setzen sofort Rost an. Wer ein schönes Souvenir aus Japan braucht, kann jedenfalls mit einem Messer nicht viel falsch machen. Man sollte freilich beachten, dass sich Messer a) nicht gut als Souvenir für alte Feinde und b) nicht besonders gut als Artikel im Handgepäck beim Rückflug machen.
So, genug Banales.
Das Wort des Tages: 包丁 hōchō – das (Küchen)messer.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

14 Kommentare

  1. Ohje, das ist ein Thema. Vielleicht haben die Japaner einfach auch ein besseres Verhältnis zu Lebensmittel und zum Kochen und ist ihnen von daher schon wichtig welche Küchenausstattung sie benutzen.
    Es gibt genügend Menschen in Deutschland die alles mit so einem Messer erledigen:
    http://www.emu-verlag.de/images/Kuechenmesser-klein_5x3.jpg.
    Natürlich ist das Messer schon mind. 20 Jahre alt, liegt zusammen mit anderem Kram in einer Schublade und ist so stumpf, dass man das Gemüse nicht durchschneidet, sondern durchquetscht. Und meine Erfahrung, wenn ich in D mit meinem großen Kochmesser ankomme ist bisher komischerweise immer die gleiche: „So ein großes Messer möchte ich aber nicht in meiner Wohnung haben“.

    Aber so ein Nudelmesser wie auf deinem Bild wäre evtl. ein Geschenk für meine Mutter, zum Spätzleschaben ;-)

  2. Naja, als alter Hobbykoch mit connections zum ein oder anderen japanischen Koch muss ich sagen, dass man mit japanischen Messern auch viel falsch machen kann.

    Das fängt beim Kauf an, denn ohne eine gewisse Expertise wird man auch mal schnell übern Tisch gezogen (so wie woanders auch) und die Pflege wurde hier ja schon angesprochen.
    Zudem dürften die meisten Menschen nicht wissen, dass auch ein japanisches Messer mal stumpf wird und dass es dann nicht damit getan ist, das Ding über nen Wetzstahl zu ziehen (alles schon gesehen).

    Alles in allem denke ich, dass erfahrungsgemäß Messer aus Solingen jenen aus Japan nicht unebdingt hinterherhinken (müssen) und dass auch diese für ein ordentliches Ergebnis sorgen (bei sachgerechter Handhabung), allerdings mit weniger Pflegeaufwand.

    Für bestimmte Aufgaben bevorzuge ich dennoch japanische Klingen, da hier die Klingengeometrie (je nach Messer-Typ) unterschiedlich ist (was es auch für Westler so gefährlich macht damit zu schneiden).

    Gruß aus Berlin,
    Bastian
    dessen Solinger Küchenmesser ihren japanischen Kollegen in nix nachstehen.

  3. @ Felix

    Vielen Dank für den tollen Link. Da ich in meinem Freundeskreis einen Messerfetischisten habe, dessen Geburtstag in kürze ansteht, werde ich wohl mal eine Pilgerreise ins gelobte Land genannt Godküste antreten. Sprich ich organisiere, und mein Freund kann dann seine harten Fränkli mehr oder weniger gewinnbringend anlegen (,D

  4. Darf ich fragen, wie das mit dem vom Körper weg und zum Körper hin schneiden gemeint ist? Ich habe das eben beim Schneiden von Maultaschen in Streifen bei mir selbst beobachtet und kann weder noch feststellen. Ich schiebe das Messer zuerst von meinem Körper weg und ziehe es dann, um das Objekt auch ganz unten am Brett komplett zu durchtrennen, noch einmal zu mir her.

  5. @zrce

    Einfach nach „Nudelmesser“ oder „soba kiri“ (evtl. auch „udon kiri“) suchen, wobei mir auffällt, das in harakiri das Wort „kiri“ für Messer und „hara“ für Bauch drin ist. Wieder was gelernt und wenn mir in Zukunft das Wort für Bauch oder Messer fehlt, weiß ich nun wie ich es herleiten kann

  6. PS: Wobei mir bezüglich „harakiri“ noch einfällt, dass in Regionen wo harakiri eine wichtige Rolle gespielt hat, der Fisch mit einer speziellen (und umständlichen) Methode vom Rücken her ausgenommen wird, damit man dieses ehrenvolle Ritual des Bauch-Aufschneidens nicht bei so etwas profanem wie einem Fisch vollzieht.

  7. Was mir immer wieder auffällt in Asien ist die selbstverständliche Verwendung des ago (あご, weiss nicht wie das auf Deutsch heisst), also des untersten Teils der Klinge, mit dem man div. Schneidearbeiten ausführt, die mit der Messerspitze nur umständlich getätigt werden könnten. Jede Hausfrau weiss damit umzugehen.
    Was uns wohl so fasziniert an japanischen Klingen ist die schiere Schärfe die eine Messerklinge haben kann. Wer mal eine Demonstration gesehen hat, weiss was ich meine. Eine Vorstellung von Schärfe, die in unserem Kulturkreis nicht präsent ist. Zurück in der Realität lässt es sich mit Solinger Messern aber genau so gut kochen ähm schneiden, alles andere ist mehr Mythos und Hollywood-Filmchen IMO. Was ich an Japanischen Klingen aber schätze ist, dass sie sich trotz grosser Härte leicht schärfen lassen. Auch kann man SEHR feine und genaue Schnitte ausführen. Und das Trockenreiben ist Gewohnheitssache.

  8. Sehr witziger Beitrag. Ich hatte mit japanischen Messern ein ähnliches Schlüsselerlebnis und bin am Ende bei dem Thema hängengeblieben. Heute verdiene ich mein Geld damit.

    Übrigens besteht die Gefahr des „Ausblutens“ nur wenn der Finger komplett ab ist :) Ansonsten ergeben sich schöne glatte Schnitte die super verheilen. Der Erfahrung habe ich jetzt schon einige Male gemacht.

    Ich durfte im letzten Jahr Zeuge bei der Entstehung eines solchen Meisterwerks sein. Ein wunderbares Erlebnis. Die haben schon wirklich gute Handwerker in Japan. Ich fürchte nur das das Wissen irgendwann verlohren geht. Viele Messerschmiede sind wirklich schon sehr alt. Nachwuchs ist auf Grund der wenigen Kinder Mangelware.

    Übrigens – ein sehr sehr schöner Blog. Ein echtes Netztfundstück!

  9. @Stefan
    Hängt wahrscheinlich davon ab, was Du geschnitten hast!? Beim Schneiden von Kräutern und den meisten Gemüsesorten usw. schneide ich jedenfalls nur vom Körper weg. Aber ich bin kein Profi – vielleicht bzw. wahrscheinlich mache ich das selbst auch nicht ganz richtig.
    Am Ende dieses Videos wird es glaube ich ziemlich deutlich: http://www.youtube.com/watch?v=pWxYKWV3_w4

    @Matthias
    Hobby zum Beruf machen ist immer gut. Habe mir Deine Seite angesehen – sehr schön! So wird’s gemacht!

  10. @Matthias
    Das ist aber witzig, find ich echt schön dass da ein Beruf draus geworden ist.
    Als ich das letzte Mal an einem Messer hängen blieb, ging das irgendwie anders aus…

    Es freut mich immer wieder zu sehen, dass gelebte Tradition und Bräuche den Menschen eine Form, eine Aufgabe und einen Sinn geben, und sei dies – salopp gesagt – „nur“ Blumen stecken (Ikebana), Papier falten (Origami) oder Bäumchen schneiden (Bonsai). Wenn eine 20 Jährige sagt, sie lerne Teezeremonie, dann hat das weder was hinterwäldlerisches noch hausbackenes. Und bei einigen wie Matthias hier wird’s sogar zum Beruf und Broterwerb, find ich einfach Klasse!
    Ich bedaure es sehr, dass wir im Westen viele unserer Traditionen aufgegeben haben. Es würde den Leuten mehr denn je einen Sinn geben, anstatt sich stundenlang vor der Mattscheibe dummzugucken oder sich online durch’s Netz zu prügeln. Nicht dass ich dagegen bin, halt einfach alles im Maß und mit Vernunft.

    Japan hat übrigens traditionellerweise auch fantastische Zimmerleute.
    Wär ich in Japan gross geworden, dann wäre ich wohl Fischhändler oder Schwert-/Messerschmied geworden (Golfschläger schmieden ist auch lukrativ). Und ihr, was wärt ihr alle geworden? (und jetzt sagt nicht Astronaut)

    @tabibito
    Hier ein Besessener – man kann 千切り auch wörtlich nehmen (-_-;) http://www.youtube.com/watch?v=-zOIfLO2vXI

    Ende auch gucken, dann weiss man was mit den 3 kleinen Zuschauern geschieht, die während der Vorstellung verständlicherweise verzweifelt versuchen zu fliehen :-)

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