BlogBlutdurst nun auch in japanischen Wohnzimmern

Blutdurst nun auch in japanischen Wohnzimmern

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Schon lange war es in den deutschen Medien zu beobachten, und nun wird es auch immer spürbarer in den japanischen Medien: Kaum ist ein grausiger Mord halbwegs ausgeschlachtet, steht schon der nächste auf dem Programm. Man wähnt sich allmählich von Massenmördern und Kinderschändern umgeben. Jeder könnte es sein: Der immer freundliche Nachbar, der dicke, schwarzbebrillte Schlipsmensch neben mir im Zug, die nette Verkäuferin im Supermarkt. Ist die Welt so schlecht geworden?
Im März wurde ein 7-jähriges Mädchen in Hiroshima von einem arbeitslosen Peruaner mit angeblichen japanischen Vorfahren ermordet und in einem Koffer verstaut in der Nähe abgestellt. Wenig später erstach eine chinesische Mutter zwei Kinder, die den gleichen Kindergarten wie ihr Kind besuchten, in der Präfektur Saga. Dann der Fall Okamoto in der Präfektur Kanagawa – dort wurden fünf Leichen in einer Wohnung geborgen, drei davon waren Kinder und einige schon sehr lange tot. Verdächtigt: Die Mutter. Jetzt der Fall des kleinen Gōken, wahrscheinlich erdrosselt von der Nachbarin, mal ebend so.
Wo man auch hinschaut – im Fernsehen, im Internet, in den Printmedien (gottseidank nicht in allen) – die Medien sind voll mit grausigen Details von schauerhaften Meuchelmorden. Vor einigen Jahren war das bei weitem nicht so schlimm. Nun macht sich schleichende Angst breit in der Bevökerung, plötzlich wird Paranoia modern und die ersten beginnen, Kameras an ihren Pforten anzubringen und die Passanten zu filmen.
Macht und Konsum durch kontrollierte Angst in der Bevökerung. Ein aus Amerika exportiertes Phänomen, das leider auch vor Deutschland und Japan nicht halt macht. Ein wahrer Jammer, zu sehen, wie die Gesellschaft auch hier immer misstrauischer wird. Gerne werde ich der Rufer in der Wüste sein – doch gibt es ein Rezept diese Allmacht der Medien?
Wort des Tages: 不信感 (fushinkan). fu bedeutet
„nicht, Un-„, shin bedeutet „trauen, glauben“ und kan ist „Gefühl“. Zu deutsch „Misstrauen, Unbehagen“.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

3 Kommentare

  1. Die Medien m?ssen Ihre „Nachrichten“ verkaufen. Dazu mu? auf die erste Seite die blutr?nstigste Schlagzeile, die der Tag bietet B?rsenkurse eignen sich daf?er nun mal nicht. Warum das so ist? Weil ein gro?er Teil der Medienkonsumenten, wahrscheinlich eine Mehrheit, das so will. Verbrechen gab es schon immer, ob vors?tzlich oder aus einem Drama heraus. Da die Welt, dank der Medien immer kleiner geworden ist, m?ssen auch alle Einzelheiten an die ?ffentlichkeit.
    Aber dieser Hunger nach grausamen Informationen mu? doch auch mal ges?ttigt sein. Vielleicht werden dann die Wetterinformationen spannender r?bergebracht:
    Gerade erreicht eine nasse Kaltfront
    Japan….

  2. So schnell wird der Hunger nach grausamen Einzelheiten wohl nicht gestillt sein.

    Und vielen Dank für die nasse Kaltfront! Die könnt Ihr behalten!!!

  3. Nee lass mal. Wird Zeit, dass die Erdbeeren auch Sonne bekommen, sonst wird das hier nie was. Und wie soll ich sonst die WM ?berleben? Hm?

    ;)

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