BlogKlein-Irak auf Okinawa?

Klein-Irak auf Okinawa?

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Da kam doch diese Woche ans Licht, daß im vergangenen Jahr US Marines zusammen mit Einheiten der bōeitai (Japanische Selbstverteidigungskräfte, anderswo Armee genannt) eine Übung auf Okinawa absolvierten. Nichts besonderes, aber das Thema war „Unterdrückung zivilen aber gewalttätigen Protestes von Einheimischen gegen die Militärpräsenz“. Hintergrund: Die meisten amerikanischen Militärstützpunkte in Japan drängen sich auf der kleinen Hauptinsel von Okinawa. Und es gibt enormen Widerstand auf Okinawa, da es zum Beispiel zu Verbrechen von Soldaten gegenüber Zivilisten kam (Vergewaltigung eines Schulmädchens zum Beispiel). Allerdings war der Widerstand bislang immer friedlich.
In dem Manöver ging es nun darum, wie man mit Schlagstöcken gegen die Demonstranten vorgeht. Danke für diese Lektion, Amerika! So geht das also… Die bösen, bösen Insulaner von Okinawa müssen natürlich unbedingt gebändigt werden.
Interessant ist die Tatsache, wie die Information über das Manöver nach einem guten Jahr an die Öffentlichkeit kam – ein cleverer Student hatte einst ein kleines Programm namens Winny entwickelt. Dient der einfachen Übertrachtung von Dateien zwischen Computern über das Netzwerk (für Eingeweihte: ein schlichtes peer to peer file-sharing Programm). Winny ist extrem beliebt, hat aber einen Fehler: Es ist anfällig gegen ein paar Viren. Und schon gelangen die Daten ins Internet. Und da viele Japaner gern ihre Arbeit mit nach Hause nehmen, kam viel brisantes ans Licht. Unter anderem Material über Verteidigungsangelegenheiten (z.B. eine Strategieplanung namens „K-Peninsula„, nicht gerade ein echter Deckname) usw. Und die oben genannte Sache. Quasi von der Natur aus eher geheime Informationen.
Es gibt sogar noch eine Pointe: Als geübter Nachrichtenleser erwartet man nun ein Dementi vom Verteidigungsministerium, à la ‚Nein, die Übung gab es in der Form nicht‘. Nun, ein Dementi gab es, aber das lautete ‚Nein, diese Information war nicht geheim‘. Drollig.
Wort des Tages: 犬 (inu). Hund. Viele Japaner sehen ihr Land als Hund des Herrchens Amerika. Schaut man sich die Außenpolitik an, versteht man diese Sicht der Dinge nur zu gut.

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tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

2 Kommentare

  1. „Viele Japaner sehen ihr Land als Hund des Herrchens Amerika“

    Den Eindruck habe ich seit Beginn des Irakkriegs, da Japan offenbar zur Koalition der Gef?gigen geh?rt. Wie war das denn eigentlich vor Koizumi?

    P.S. Toller Blog!

  2. Nicht besser. Eigentlich sogar noch schlimmer. Just in diesen Tagen wär es mir sogar lieber, wenn sie auf Amerika hörten: Ein Senator forderte jüngst Koizumi auf, die Besuche des unheilvollen Yasukuni-Schreins zu unterlassen. Leider erfolglos.
    Nein, Japan ist seit Ende des WK II sehr hörig.

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