ShikokuKagawaNaoshima - die Kunstinsel in der Seto-Binnensee

Naoshima – die Kunstinsel in der Seto-Binnensee

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Präfektur: 香川 Kagawa

直島 Naoshima

4 von 5 Sternen: Absolut Sehenswert
Name:

Naoshima. -shima bedeutet Insel, „nao“ bedeutet „direkt“ oder „gerade“. Der Name tauchte schon vor über 1’000 Jahren in den Annalen auf und kennzeichnete wohl auch einen Schrein. Die Gemeinde Naoshima-chō umfasst nicht nur die Insel Naoshima, sondern auch noch 3 weitere Inseln.

Lage:

Die Insel Naoshima liegt in der Seto-Binnensee (zwischen Honshu und Shikoku) ziemlich genau zwischen den Präfekturhauptstädten Okayama und Takamatsu (rund 30 km). Die Hauptinsel Honshu liegt wesentlich näher (3 km) als Shikoku (13 km), aber da die Insel zur Präfektur Kagawa gehört, zählt man sie zu Shikoku.

Ansehen:

Die Museen im Süden der Insel. Das Onsen in Miyanoura. Das Dorf im Osten der Insel.

Naoshima – Beschreibung

Naoshima ist nur eine von mehr als 700 Inseln in der Seto-Binnensee, doch diese Insel ist etwas Besonderes, und das verdankt sie vor allem dem Bildungsgiganten ベネッセ Benesse. Benesse (vom Lateinischen „bene“ – gut bzw. richtig, und „esse“ – leben) ist eine große Firma mit Hauptsitz im nahegelegenen Okayama, die sich auf Fernbildung (ein grosses Geschäft in Japan, in der jeder und immer lernt) und das Verlegen von Lehrbüchern spezialisiert hat.

Die Insel Naoshima selbst hat einen Umfang von 16 km und eine Fläche von rund 8 Quadratkilometern – das bedeutet, dass man die Insel zu Fuß in weniger als einer Stunde durchqueren kann. Gute 3’000 Menschen leben auf Naoshima – in den 1970ern waren es doppelt so viele. Grund für die hohe Bevölkerung waren die Mitsubishi-Rohstoffwerke – hier wurden seit 1917 Erze, vor allem Kupfererze,
verhüttet, was auch mit schweren Umweltschäden einherging. Die Mitsubishiwerke haben sich heute auf das recyceln von Metallen verlegt, und die Umweltsituation hat sich seit geraumer Zeit verbessert. Wer wegen der Museen und Gallerien nach Naoshima kommt, bemerkt von der Industrie absolut gar nichts.

Die Geschicke der Insel änderten sich 1989: Benesse veranstaltete in jenem Jahr ein internationales Kunstcamp, und daraus entstand die Idee, Gallerien und Museen auf der Insel (genauer genommen nicht nur auf Naoshima, sondern auch auf 3 Nachbarinseln, die alle zur Gemeinde Naoshima zählen) zu errichten. So erwarb sich Naoshima im Laufe der Jahrzehnte auch international einen Ruf, so dass heute japanische und ausländische Kunstliebhaber nach Naoshima pilgern.

宮ノ浦 Miyanoura

Alle Besucher landen erstmal im Hafen von Miyanoura im Westen der Insel. Direkt am modernen Fährhafen erwartet den Besucher gleich das erste Kunstwerk: Ein großer, begehbarer, roter Kürbis mit vielen schwarzen Punkten. Das Kunstwerk stammt von Yayoi Kusama 草間 彌生, einer weit über Japan hinaus bekannten Künstlerin und Schriftstellerin, Baujahr 1929, die oft mit leuchtend rotem Pagenschnitt erscheint und vor allem durch ihre „Polka Dots“ und „Infinity Rooms“ bekannt geworden ist. Vieler ihrer Installationen fallen durch Punkte auf, und das hat einen handfesten Hintergrund: Bereits als Kind hatte Kusama manchmal Halluzinationen, bei denen Dinge lebhaft zu werden schienen – ausserdem sah sie dabei Punktmuster. Diese Halluzinationen verarbeitet die Künstlerin in ihren Werken – mit grossem Erfolg. Zwei Kürbisse schmücken nunmehr die Gestade von Naoshima – ein roter Kürbis am Hafen und ein gelber Kürbis nahe des Benesse-Hauses im Süden der Insel.

Einer der beiden Kusama-Kürbisse auf Naoshima
Einer der beiden Kusama-Kürbisse auf Naoshima

 

Ein weiteres Highlight der kleinen Ortschaft Miyanoura ist das 直島銭湯 「I♥湯」Naoshima Sentō I love yu (sentō ist ein Badehaus, „yu“ bedeutet „heißes Wasser“). Das Badehaus wurde 2009 eröffnet und vom japanischen Maler 大竹 伸朗 Shinrō Ōtake gestaltet. Und was wurde dort gestaltet! Sowohl die Fassade als auch das Innere sind eine einzige Collage von hunderten kleinen, interessanten Details. Die Palmen davor, das rote Neon-„ゆ“ (yu = heißes Wasser), der abgebrochene Stahlbeton an den Balkons und vieles, vieles mehr – das Bauwerk ist einfach einzückend, und es gibt viel am und im Badehaus zu entdecken (das ganze ist übrigens wirklich ein öffentliches Badehaus – der Eintritt kostet 510 Yen).

"Love YU" - das verrückte Onsen in Miyanoura
„Love YU“ – das verrückte Onsen in Miyanoura

 

In unmittelbarer Nähe des Badehauses gibt es auch zwei kleine Restaurants sowie, angeschlossen an eines der Restaurants, ein Hostel. Vom Fährhafen bis zum Badehaus braucht man zu Fuss keine zwei Minuten.

地中美術館 Chichu-Kunstmuseum

Das bekannteste Kunstmuseum der Insel dürfte das 2004 errichtete Chichū-Hakubutsukan sein. „Chichū“ bedeutet „in der Erde, im Boden“ – erinnert aber nicht nur vom Namen her, sondern auch von der Landschaft, an das 地中海 chichūkai – das Mittelmeer. Auf der Kuppe eines kleinen Berges wurde hier eine relativ große Galerie in den Erdboden hineingebaut – auf der Oberfläche sieht man nichts. In diesem Museum wird mit Formen und Materialien gespielt – und der Himmel wird in einige Installationen mit einbezogen. Herzstück des Museums ist jedoch der Claude Monet-Raum mit 5 zum Teil sehr großflächigen Gemälden aus der Wasserlilienserie des berühmten Impressionisten.
Ein weiteres Highlight ist die Installation Time/Timeless/No Time von Walter De Maria, die mit minimalistischen Formen ein ganz besonderes Raumgefühl schafft. Dieser Raum wird, genau wie der Monet-Raum, nur von natürlichem Licht ausgeleuchtet – je nach Tageszeit und Bewölkung entsteht deshalb ein ganz anderer Eindruck von der Installation.

Walter de Maria-Installation in Naoshima
Walter de Maria-Installation in Naoshima

 

Doch auch die anderen Installationen sind hochinteressant – dazu zählt ein blau ausgeleuchteter Raum, in dem der Betrachter aufgrund der Fluoreszenz der Wände die Orientierung verliert, sowie ein winziger Betoninnenhof mit Fenster zum Himmel – siehe unten:

Fenster zum Himmel im Chichu-Museum von Naoshima
Fenster zum Himmel im Chichu-Museum von Naoshima

 

Zum Chichu-Museum kommt man am besten mit dem Bus. Busse fahren mehrfach stündlich vom Hafen in Miyanoura über Honmura bis zur Endhaltestelle つつじ荘 Tsutsuji-sō im Süden der Insel. Das dauert keine 15 Minuten. Von Tsutsuji-sō fahren, abgestimmt auf die Ankunftszeiten der Busse vom Hafen, kostenlose Zubringer-Busse den Berg hinauf bis zum Chichukai-Museum (der Bus hält dabei auch unterwegs am Lee-Ufan-Museum). Man kann die Strecke natürlich auch laufen oder mit einem Leihfahrrad bewältigen, aber zumindest im Sommer ist das eine schweißtreibende Angelegenheit.

Eingang zum Chichu-Museum
Eingang zum Chichu-Museum

 

Das Chichu-Museum hat von 10 bis 18 Uhr (Oktober-Februar: 10 bis 17 Uhr) geöffnet – am Montag ist Ruhetag, es sei denn, der Montag ist ein Feiertag. Der Eintritt kostet 2’060 Yen, Kinder unter 15 Jahren bezahlen nichts. Doch Vorsicht: An Wochenenden und Feiertagen muss man mitunter Stunden nach einem Ticket anstehen, da die Menge der Besucher, die sich gleichzeitig im Museum aufhalten können, stark reglementiert ist. Auch im Museum wartet man häufiger, da einige Installationen nur von 10 oder weniger Besuchern gleichzeitig besichtigt werden können. Es empfiehlt sich, an Wochentagen und/oder kurz nach Öffnung/kurz vor Schließung hinzugehen. Und gleich noch eine Warnung: Im gesamten Museum herrscht Photographierverbot, egal ob mit Blitz oder ohne. Das ist äußerst schade, und man kann davon halten, was man will.

ベネッセハウスミュージアム Benesse-Haus Museum

Das Benesse-Haus Museum ist wesentlich älter – es öffnete 1992 seine Pforten und erinnert von der Architektur her (vor allem die Innenarchitektur) stark an den Bauhaus-Stil. Der Bau ist ein Museums-Hotel-Hybrid und beherbergt zahlreiche Installationen, aber auch Gemälde und Photographien, ein Restaurant und ein Museumsshop (die Souvenirs lässt man sich mit sehr gutem Geld bezahlen, wohlgemerkt). Der Eintritt in das Museum kostet 1’060 Yen, und der Bau liegt nur wenige hundert Meter von der Tsutsuji-sō-Bushaltestelle entfernt an einer kleinen Bucht.

Außeninstallationen vor dem Benessehaus-Museum
Außeninstallationen vor dem Benessehaus-Museum

Wer keine Zeit hat oder keine Lust, in das Benessehaus zu gehen, findet auch vor dem Museum allerhand. Auf der grossen Wiese an der kleinen Bucht im Süden von Naoshima stehen zahlreiche Kunstwerke herum, und auf einer kleinen Pier steht Kürbis #2 der bekannten Künstlerin Kusama (siehe Foto ganz oben). Der gelbe Kürbis ist mittlerweile ein Wahrzeichen der Kunstinsel Naoshima und dementsprechend beliebt als Photomotiv.

本村 Honmura

Einen guten Kilometer nördlich des Benessehauses befindet sich Honmura, wörtlich übersetzt das „Hauptdorf“ – also die Hauptsiedlung der Insel. In Honmura gibt es einen kleinen Fischereihafen, aber man vergisst hier, dass man eigentlich am Meer ist, denn die nächstgelegene Insel, 向島 Mukaejima (mit immerhin 17 Einwohnern) liegt nur gute 100 Meter vom Ufer entfernt. Auch in Honmura gibt es Kunstwerke zu sehen – dazu zählt zum Beispiel das はいしゃ haisha (Zahnarzt) – eine ehemalige Zahnarztpraxis, die künstlerisch umgestaltet wurde. Das Dorf als solches ist ziemlich alt und strahlt eine angenehme Atmosphäre aus – hier lohnt es sich, eins, zwei Stunden die engen Gassen zu erkunden.

Das alte Hauptdorf der Insel - Honmura
Das alte Hauptdorf der Insel – Honmura

Fazit: Selbst, wenn man sich nur ein kleines bisschen für Kunst interessiert, ist Naoshima auf jeden Fall einen Abstecher wert. Die Gegend ist traumhaft, und viele der Kunstinstallationen regen zur inneren Einkehr an.

Anreise & Transport

Nach Naoshima kommt man nur mit der Fähre – entweder von 宇野 Uno auf Honshu in der Präfektur Okayama, oder von Takamatsu auf Shikoku. Von Uno fährt man nur 15 (Personenfähre) bzw. 20 Minuten (Autofähre). Die Hin- und Rückfahrt von Uno kostet 560 Yen. Von Takamatsu braucht man 50 Minuten mit der langsamen Fähre und 25 Minuten mit dem Schnellboot. Die Fähre kostet 520 Yen einfach (990 Yen Hin- und Rückfahrt), das Schnellboot kostet 1’220 Yen pro einfache Fahrt. Von Takamatsu fahren rund 5 Fähren pro Tag (plus 2 oder 3 Schnellboote); von Uno mehr als 12. Die Fahrpläne und mehr Informationen gibt es auf der Webseite des Fährbetreibers Shikoku Kisen zu sehen (auf Englisch und Japanisch).

Übernachtung

Auf der Insel gibt es eine limitierte Auswahl an Übernachtungsmöglichkeiten, darunter auch ein richtiges Hostel in Miyanoura. Eine Übernachtung auf der Insel ist wärmstens empfohlen, da man so ein paar der Kunstwerke ganz in Ruhe betrachten kann, bevor die Fähren ihre Ladungen ausspucken.
Zu allgemeinen Übernachtungstipps siehe Übernachtungstipps Japan.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

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