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Der Knopf des Anstosses: Sind Sie über 20 Jahre alt? Hai!
Der Knopf des Anstosses: Sind Sie über 20 Jahre alt? Hai!
Als ich vergangenen Freitag des nächtens in den hiesigen 7-Eleven schlich, um Nachschub zu holen, herrschte im selbigen richtig dicke Luft. Ein etwas kräftiger aussehender Japaner stand an der Ladentheke, schlug alle paar Sekunden kräftig mit der flachen Hand auf die Theke und brüllte auf den Angestellten in seiner typischen grünen Kluft ein. Der wurde immer kleiner, murmelte gelegentlich was von Entschuldigung, gab aber durchaus auch schon mal Widerrede, was den Brüllenden natürlich nur noch mehr anspornte. Das Geschrei fand im feinsten Gangsterjapanisch statt. Nanu? Was war denn da los? Neben mir war lediglich noch ein weiterer Angestellter im Laden, und der tat so, als ob er gerade ganz furchtbar mit dem Einordnen neuer Ware beschäftigt wäre.
Anfangs sah alles etwas bedrohlich aus, beziehungsweise hörte es sich so an, aber bei Yakuza-Dialekt gehört das einfach dazu. Nach ein paar weiteren Tiraden merkte ich jedoch, dass hier keine Schlägerei im Anzug war. Der gute Herr wollte einfach nur etwas Luft ablassen über etwas, was ihn störte. Stein des Anstosses war der Minibildschirm, der an jeder Kasse Richtung Kunde zeigt. Kauft man nämlich in einem konbini Alkohol oder Zigaretten, macht es ordentlich „piep“, und man muss auf dem Bildschirm einen grossen Knopf drücken: Mit dem bestätigt man, dass man über 20 Jahre alt ist. Erst dann kann man die Ware erhalten.
Es war nicht so, dass ich den Schreihals nicht verstehen würde. Was, wenn ein 19-jähriger den Knopf drückt? Dann ist doch alles in Ordnung, oder? Wieso muss ein gestandener 50-jähriger ebenfalls diesen albernen Knopf drücken? All diese Fragen warf der Schreihals den Angestellten vor den Kopf und warf ihm mangelnde Gehirnmasse vor. Und dass sich die Betreiber der Kette mit dieser lächerlichen Prozedur einfach nur aus der Affäre ziehen wollen. Das wurde wunderschön ausgeschmückt. „Du Vollidiot! Wusstest Du eigentlich, dass ich 19 Jahre alt war? Guckst Du, was! Was nun? Na?“ – „Äh… 19? Aber… “ – „Siehste! Natürlich bin ich nicht 19! Das sieht doch selbst der größte Trottel! Warum soll ich also diesen blöden Bildschirm abfummeln?“ Und so weiter. Er will doch nur spielen…
Natürlich hat der Mann recht. Dass der Angestellte für den Knopf nichts kann, wird er freilich auch gewusst haben. Jedoch steckte der Angestellte in der Klemme, denn in Japan erwartet man, dass der Angestellte voll hinter seinem Brötchengeber steht. Hätte er nun also gesagt „Dafür kann ich doch nichts! Ich mag den blöden Knopf auch nicht“, wäre er sicher noch mehr angebrüllt worden. Wegen Illoyalität und so. Eigentlich konnte der Angestellte nur verlieren.
Irgendwann hatte ich, was ich wollte, bezahlte beim anderen Angestellten und ging. Währenddessen ging die Show drinnen weiter. Irgendwo in Japan, nachts um 1.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

9 Kommentare

  1. Ich wuerde mich sicherlich innerlich wegen dieser Laecherlichkeit empoeren an der Stelle des Yakudza Mann, haette sicherlich wahrscheinlich gesagt, dss der angestellte selber den Knopf druecken soll oder erst gar kein Akoloh in diesem Laden gekauft

  2. Ach ja, der blöde Knopf. Etwas nervig ist der schon, aber ich würd nie auf die Idee kommen, deswegen die arme Sau hinter der Theke anzublaffen.
    Hatte wohl einen schlechten Tag, der Mann.

    • Nun, in Deutschland liegt es mehr oder weniger im Ermessen des Verkäufers, ob der Personalausweiß gezeigt werden muss oder nicht. Ich musste dies bisher noch nie, weil man mir ansieht, dass ich über 18 Jahre alt bin.
      Die Maschine dagegen interessiert es nicht, sie geht stur danach, welcher Artikel gekauft wurde, unabhängig davon, wie alt der Käufer nun ist. Insofern ist der Knopf für den Betreiber die einfachste Lösung sich aus der Verantwortung zu stehlen.

      • Es gibt auch Leute, die jünger aussehen, asl sie sind. Ich kenne eine Frau, die mit 30 gelegentlich immer noch den Ausweis vorzeigen „muss“. Sie sagt dann gerne was wie „Ich bin zweifache Mutter und war schon beim erste Kind über zwanzig“ und dann gehts auch.

  3. In den Niederlanden muß man als Käufer starker Alkoholika in eine Kamera lächeln. Zudem den Ausweis zücken, der ebenfalls eingelesen wird. Sodann wird beides von einer entfernten (staatlich beauftragten) Stelle begutachtet und erst bei Gefallen wird die Kasse aus der Ferne(!) für den Händler freigegeben.
    Ebendieser Prozess hätte den dicklichen Herren wohl hochgehen lassen wie, naja eine Bombe eben.

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