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JR-Maglev in Yamanashi. Quelle: Wikipedia
JR-Maglev in Yamanashi. Quelle: Wikipedia
Heute hat JR (Japan Railways) – die ehemals staatliche, und nachwievor bei weitem grösste Bahngesellschaft Japans, den Antrag auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die Magnetschwebebahnstrecke vorgestellt¹. Das Projekt ist unter dem Namen 中央新幹線 Chūō-Shinkansen (Zentraler Shinkansen) bekannt und soll von einer Magnetschwebebahn befahren werden. Diese wird als 超電導磁気浮上式鉄道 (wörtlich: supraleitender-Magnet-Schwebe-Typ-Bahn bezeichnet, aber das Wort ist so lang, dass der Zug schon weggefahren ist, bis man es ausgesprochen hat. Daher ist der Name マグレブ Maglev (von Magnetic levitation) gebräuchlicher.
Auf den Antrag war lange gewartet worden, denn viele potentiell betroffene (nicht nur im negativen Sinne, wohlgemerkt) Gemeinden wollen naürlich wissen, wo es denn nun lang geht. Die Magnetschwebebahn soll letztendlich Tokyo mit Ōsaka verbinden, aber der erste Streckenabschnitt führt erstmal nur bis Nagoya. Dieser Abschnitt ist insgesamt 246 km lang, wobei 42,8 km der Strecke bereits existieren: Als Teststrecke, in der Präfektur Yamanashi. Drei Routen standen zur Auswahl, aber zwei davon ergaben zumindest vom optischen (sprich: dem Blick auf die Karte) her keinen Sinn, und so entschied man sich nicht überraschend für die kürzeste Route: Die Südalpenroute, mit jeweils einem Bahnhof in den Präfekturen Kanagawa, Yamanashi, Nagano und Gifu. Der Zug kann bis zu 505 km/h fahren, und die Fahrtzeit soll sich bis Nagoya von jetzt 1 Stunde 19 Minuten auf 40 Minuten verkürzen. Der Fahrpreis soll Gerüchten zufolge zwischen 110 und unter 140% des jetzigen Shinkansen-Preises betragen.
Teilstück der geplanten Route. Quelle: Siehe Link unten
Teilstück der geplanten Route. Quelle: Siehe Link unten

Die Gesamtkosten für die erste Teilstrecke sind enorm: Gute 5 Billionen Yen, also knapp 40 Milliarden Euro, soll der Bau kosten. Die Strecke führt quer durch die Pampa und mitten durch die Berge – 89% der Strecke werden Tunnel sehen, und damit wird die Fahrt mit dem Zug sicherlich sehr, sehr spannend. Beziehungsweise ähnlich wie 40 Minuten U-Bahn-Fahrt.
Natürlich gibt es kritische Stimmen: Teilweise wird bezweifelt, ob der Zug genug ausgelastet sein wird. Die Bahnhöfe befinden sich zum Teil in Orten, die kein Mensch kennt: Sagamihara, Kōfu (nun gut, das ist recht bekannt, da Präfekturhauptstadt), Iida und Nakatsugawa. Allerdings gilt die Belebung der ländlichen Gegenden als zentrales Projekt in Japan, und wenn man von Nakatsugawa bis Nagoya statt 1.5 Stunden nur noch 10 Minuten braucht, macht das sicherlich viel aus. JR hat auch eine geschickte Strategie gewählt, um Ruhe zu haben in der Projektplanung: Die Bahngesellschaft gab bekannt, dass man alles aus eigener Tasche bezahlen wird.
¹ Eine Kurzfassung des Antrags, inklusive Routenplanung und Bahnhofsbaublänen etc., kann man hier herunterladen: 中央新幹線(東京都・名古屋市間)環境影響評価準備書のあらまし (PDF)

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

5 Kommentare

  1. Hi, das wird den Enrico freuen, wenn Sagamihara Haqltestelle werden sollte. Wie sich so ein Projekt refinanzieren soll ist mir allerdings ein Rätsel!!! SG Jack

    • Sagamihara ist groß… und Enrico zieht von dort bald weg, wie es scheint.
      Wie sich das refinanzieren wird? Da bin ich auch neugierig. Aber mich würde nicht wundern, wenn JR bereits jetzt über gewaltige Rücklagen verfügt.

  2. Nutzen die den Tunneleffekt aus und führen die Strecke deswegen quer durch die Inaka-Berge? ;-)
    Aber ehrlich, 40 Minuten durch Tunnel ist doch kein Ding, wenn ich mit der U-Bahn nach Spandau fahre, bin ich auch fast ne Stunde untertage. Außerdem spielen in der Bahn doch eh alle mit ihren Handys.

  3. Gestern sah ich eine Sendung im Fernsehen, wo gezeigt wurde, dass selbst die kurzen Brücken zwischen den Tunnelabschnitten überdacht werden sollen. Irgendwie kommt mir das gesamte Projekt doch eher sinnfrei vor für knappe 4o Minuten Farhzeitverkürzung.

  4. Ich finde es nicht weiter tragisch, wenn weite Strecken durch Tunnels führen. Ich bin schon mal mit der Maglev in Shanghai gefahren und die Geschwindigkeit ist gerade in Bodennähe so hoch, dass du sowieso nur Dinge fokusieren kannst, die weit weg liegen. Alles andere ist so schnell weg, dass du Kopfschmerzen kriegst.
    Ebenfalls finde ich es sinnvoll, dass die Route nicht der Küste folgt, wo es bereits jetzt eine Shinkansen-Linie gibt. Meiner Meinung ist der Vorteil der Maglev ja nicht unbedingt die halbe Stunde, die man schneller in Osaka ist, sondern dass andere Regionen besser an die Zentren gebunden werden und dadurch einen wirtschaftlichen Aufschwung erleben können.

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