BlogEinheit 731

Einheit 731

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Eine der vor allem in Japan vielbeschworenene Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und Japan ist die Tatsache, dass die nationalistischen, totalitären Regime während des Zweiten Weltkrieges einen solchen Hass auf Andere entwickelte, dass man ihnen jegliche Menschlichkeit absprach und es dadurch als legitim befand, an lebenden Menschen herumzuexperimentieren. Das geschah in den Konzentrationslagern Deutschlands und das geschah auch im vom Japan besetzten China. Und möglicherweise auch im Herzen von Tokyo. Die Rede ist von der berüchtigten 731部隊 (nana-san-ichi butai) – Einheit 731. Die Einheit wurde vom Militärarzt und Generalleutnant Ishii Shirō angeführt.
Ishii und die Einheit 731 sind in Japan durchaus bekannt – vor allem durch den Roman 悪魔の飽食 (Akuma no hōshoku) – Des Teufels Sättigung von Seiichi Morimura. Der Roman legte die von Einheit 731 begangenen Verbrechen erstmals der Öffentlichkeit dar, wurde aber auch heftig kritisiert, da z.B. ein Foto nachweislich gefälscht war und alle Zeugen, die im Buch zitiert wurden, anonym waren (aus verständlichen Gründen, muss dazu gesagt werden, denn Nationalisten in Japan a) verleugnen die Existenz solcher Verbrechen und b) sind nicht gerade zimperlich). Einheit 731 gehörte der 関東軍 – Guandong-Armee an und war als Einheit zur Bereitstellung von sauberem Trinkwasser für die Truppen getarnt.
Eigentlicher Auftrag der Einheit war jedoch die Erforschung und Herstellung biologischer Waffen, die vor allem in China an gefangenen Chinesen ausprobiert wurden. In der Nähe der chinesischen Großstadt Harbin baute die Einheit 1940 eine riesige Anlage, die rund 6 km² und ca. 150 Gebäude umfasste – mit tausenden Containern, in denen z.B. Krankheitsüberträger wie Flöhe und Ratten gezüchtet wurden. Auf militärische Brauchbarkeit getestet wurden hochansteckende Krankheiten wie Pest, Cholera, Pocken, Tularämie(Hasenpest) und andere. An Menschen wurden dort aber auch Waffen getestet und vieles andere mehr – Organe wurden von lebenden Menschen entnommen, Gliedmassen amputiert und falschrum wieder angenäht, Körperteile gefroren und wieder aufgetaut usw. usf. Getestet wurde nicht nur an chinesischen Soldaten, sondern auch an Frauen und Kindern. Angaben über die Gesamtzahl der Opfer schwanken erheblich – man findet Zahlen von einigen Tausend Toten bis zu 400’000 Toten (die genaue Zahl dürfte genauso schwer zu ermitteln sein wie die Anzahl z.B. der Toten der Bombenangriffe auf Dresden – zumal die Diskussion um dieses Thema noch immer sehr aufgeheizt ist).
Zurück nach Tokyo: 1989 fand man im Stadtteil Shinjuku nahe eines grossen Krankenhauses und einer Schule für Infektionskrankheiten ein Massengrab, das auf mögliche Kriegsverbrechen hindeutete. 2006 meldete sich eine gewisse Frau Toyo Ishii zu Wort – sie arbeitete dereinst im Forschungslabor und der Militärschule der Einheit 731 in Tokyo und offenbarte, dass sie in den letzten Tagen des Krieges dabei half, Leichen und Leichenteile zu vergraben, um die Verbrechen zu vertuschen. Sie wurde sogar vom Gesundheitsminister heranzitiert, um ihren Bericht zu verifizieren.
Gestern war es schliesslich so weit: Nach langer Vorbereitung, immerhin wurden sogar Anwohner dazu umgesiedelt, begann man gestern, am 21. Februar 2011 damit, in Shinjuku/Tokyo (genauer gesagt Toyama 1chōme, genaue Lage siehe hier mit den Ausgrabungen am ehemaligen Standort der Einheit 731. Das ist beachtlich für Japan – einem Land, in dem man sich zwar irgendwie der Kriegsgräuel gewiss ist, die eigene Rolle dabei aber doch lieber vertuschen möchte. Man darf auf die Ergebnisse gespannt sein. China jedenfalls ist mehr als gespannt, denn die meisten Opfer waren Chinesen.
Ishii wurde übrigens nicht für seine Taten belangt: Er handelte mit Murray Saunders, einem amerikanischen Militärarzt, einen Deal aus – im Gegenzug zur Übergabe aller Forschungsergebnisse aus den biochemischen Experimenten wurde ihm Strafverfolgung gewährt. Ishii betrieb in den darauf folgenden Jahren ein kleines Bordell und war beliebt in der Nachbarschaft, da er umsonst Patienten behandelte. Ishii starb 1959 schliesslich eines natürlichen Todes. So zumindest eine Lesart. Es gibt auch die Auffassung, dass Ishii nach Maryland/US zog, um dort weiter in der Forschung zu arbeiten.
Japanische Nachrichten (Video) zur Ausgrabung
Nachrichten zum Thema auf Asahi
Augenzeugenbericht eines Einheit 731-Mitgliedes (Deutsch, TAZ)

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

7 Kommentare

  1. Viel spannender als das Thema ansich finde ich, wie im Text auch erwähnt, dass sich Japan um eine Geschichtsaufklärung bemüht, die sich um den zweiten Weltkrieg dreht.

    Ist da etwa ein umdenken in Wandel im Gesammten oder ist das nur eine Ausnahme?

  2. Ich bin eher skeptisch was die Aufarbeitung der japanischen Kriegsverbrechen während des zweiten Weltkrieges anbelangt. Es mag zynisch klingen, aber der Grund warum hier der Sache auf den Grund gegangen wird, scheint mir das der Tatort in Tokyo liegt, quasi vor der Haustüre. Die Massengräber auf dem chinesichen Festland, bleiben aussen vor.

    Vielleicht ist dies der Beginn einer Aufarbeitung der Kriegsgreuel, vielleicht aber auch nur die Ausnahme von der Regel.

    Es wird spannend sein zu sehen, welche Entwicklung die Zukunft bringt. Eines ist sicher, die Megaphone der Nationalisten werden diese begleiten. Auch das ist Japan, 65 Jahre nach Kriegsende

  3. Krass, das ist ja direkt in der Nähe von Waseda, wo ich gewohnt habe. Wenn ich daran denke, dass wir oft in den Toyama Park gegangen sind und in der Nähe mal solche schrecklichen Dinge passiert sind…

  4. Ich habe mir auf wikipedia was über die einheit durchgelesen und es ist erschreckend aber dennoch sehr interessant. Danke für den Artikel hier.

  5. Wenn man das so ließt, ist klar das da noch welche sind die Deutschland und Japan noch eins auswischen wollen. Da bin ich ja mal gespannt wo die Haarp-Anlagen demnächst zu schlagen. Es soll ja angeblich Magnetfeldbelastungen gemessen worden sein in der zeit vor dem beben in Haiti und jetzt in Japan. Naja Ende Mai läuft dann sicherlich das eigentliche Vorhaben, aber dann dort wo es geplant war. Wir werden sehen, erfahren werden wir es nie

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