BlogGekochte Makrelen, Glücksfall Erdbeben und Bares für Alle II

Gekochte Makrelen, Glücksfall Erdbeben und Bares für Alle II

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Heute mal zwei Bonmot und ein Update:
Aso, der jetzige Ministerpräsident, entstammt einer alten Politikerdynastie und ist, salopp gesagt, stinkreich. Was ihm natürlich etliche Leute vorwerfen. Deshalb fällt er momentan durch krampfhafte Bürgernähe auf. So berichtete er jüngst von „Hokke no nitsuke“ im Parlament, die er in billigen Izakaya (trad. Kneipenrestaurants) in Tokyo gesehen haben will. „Hokke“ ist eine sehr billige Makrelenart (auf Deutsch „Atkamakrele“ – da gibt es aber noch nicht ein Mal einen Wikipedia-Artikel darüber), die in der einfachen japanischen Küche oft verwendet wird. „nitsuke“ bedeutet in Soyasauce gekocht. Kleines Problem: Hokke werden in Tokyo gegrillt, nicht gekocht. So ziemlich ausnahmslos. Dieser Aurutscher wurde sofort von Pro-(seltener) und Contra-(häufiger)Aso-Gruppen ausgiebigst auf 2channel, Japans grösstem BBS, diskutiert – siehe z.B. hier. Da sage noch einer, Japaner sind immer vielbschäftigt…
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Der oberste Regierende der Präfektur Hyōgo merkte diese Woche an, dass „ein schweres Erdbeben in der Kanto-Region“ (rund um Tokyo) eine echte „Chance“ für die Kansai-Region (rund um Osaka) sein würde – wirtschaftlich gesehen. Das letzte schwere Beben hatte 1923 ca. 140,000 Menschenleben gekostet.
Natürlich brach ein Sturm der Entrüstung los (den der gute Mann, Toshizo Ido, gar nicht verstehen konnte). Eigentlich sollte er es auch besser wissen: Kobe liegt in seinem Amtsbezirk und wurde 1995 schwer verwüstet – mit ca. 5,000 Toten.
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Ein Update zum vorangegangenen „Bares für alle“-Beitrag. Gestern hat die Regierungskoalition tatsächlich den Plan abgenickt, jedem Japaner Bares zu schenken. Aso wurde darauf auch von einem ausländischen Reporter befragt, ob das denn auch für in Japan arbeitende und lebende Ausländer gelten soll. Antwort schlagfertig „Oh, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht“. Der Plan also: Erwachsene zwischen 18 und 65 Jahren sollen 12,000 JPY bekommen; alle Anderen 8,000. Die Opposition spricht von „amtlicher Korruption (des Wählervolks)“ und Wirtschaftswissenschaftler sagen voraus, dass die Wirkung gleich null sein wird: Ähnliches wurde 1999 gemacht und es geschah gar nichts.
Das Wort des Tages: 暇人 himajin – Freizeit (bzw. Langeweile) – Mensch. Leute, die zu viel Langeweile haben. Wie die tausenden von mehr oder weniger irren, die sich da auf 2 Channel beharken. Laut einer Untersuchung sind die meisten von denen weiblich (was man, wenn man die gebrauchten Kraftausdrücke liest, kaum glauben mag).

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

8 Kommentare

  1. vielleicht nicht gerade zum thema aber interessant wäre es doch mal einen artikel über – und darüber bin ich in dem jetzigen artikel gestolpert – kraftausdrücke oder besser schimpfwörter auf japanisch zu bringen. angeblich soll es ja keine geben aber das kaufe ich den japanern nicht ab. im koreanischen ist das repertoire so vielfältig… :)

  2. Dem Volk Bargeld geben um damit die Konjuktur anzukurbeln ist totaler Schwachsinn.

    In Zeiten wie diesen sollte der Staat möglichst viele Projekte umsetzen; also neue Häuser bauen, Strassen sanieren etc. um die Wirtschaft anzukurbeln. Der Bürger muss wieder ein Gefühl der Sicherheit haben.

    Zudem ist der Betrag absolut lächerlich… Da könnte man gleich versuchen ein Schwimmbad mit EINEM Zuckerwürfel etwas süsser zu machen. Fakt ist doch; viele Japaner haben nach wie vor sehr viel Geld auf dem Sparkonto, nur will es niemand ausgeben, da niemand weiss, was morgen kommt.

  3. Das mit dem Sparen stimmt schon – andererseits ist die japanische Staatsverschuldung und auch die private Verschuldund deutlich hoeher als in Deutschland.

    Was mich aber eigentlich am meisten interessiert: Bekomme ich denn nun Geld oder nicht? ^^

  4. Herr Aso denkt nicht über Ausländer nach ? Aber wieso sollte er – er ist japanischer Ministerpräsident. Und er will von Japanern wiedergewählt werden. Deshalb will er für Japaner Geld regnen lassen. Ausländer können nicht wählen, also braucht man über sie nun wirklich nicht nachzudenken.

  5. Ich würde der Regierung bzw. der Administration ja fast zutrauen, dass sie irgendwie in den Besitz von Unmengen an Schwarzgelde gekommen ist und es nun unauffällig unter das Volk bringen will…

  6. @Jakub

    Es gibt ein sehr unterhaltsames pdf Dokument, dass sich mit dirty, sporty, naughty etc. japanese befasst. Wenn tabibito es erlaubt, werde ich es ihm schicken, zu Recherchezwecken ;)…

    Zum Thema: Immer wieder erstaunlich, dass Japan noch keine anarchistische Zone geworden ist bei solchen Politikern… Wie nachhaltig bleiben solche „Ausrutscher“ denn für die Politiker? Soweit ich gelesen habe, fallen die meisten Politiker wegen größeren Skandalen, meist verbunden mit reichlich Kapital.

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