BlogTattoos bald nur noch vom Doktor?

Tattoos bald nur noch vom Doktor?

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​Die Entscheidung des Richters in Osaka gestern, am 27. September, schlug bei einem kompletten Berufszweig ein wie eine Bombe: Der Richter verurteilte einen Tattoostecher, der um das Jahr 2014 herum sein eigenes Tattoostudio betrieb. Dem Urteil zufolge sind „Tattoos als medizinischer Eingriff zu werten, da die Haut des Menschen bewusst mit einer Nadel zerstochen wird und als Ergebnis Infektionen und weitere Komplikationen auftreten können, die so nur von Medizinern ordnungsgemäß vermieden beziehungsweise behandelt werden können. Da die japanische Verfassung das Recht auf körperliche Unversehrtheit festschreibt, verstießen die Handlungen des nicht medizinisch geschulten Tattookünstler gegen geltendes Recht“. So lautete in etwa die Urteilsbegründung. Das Strafmaß wurde auf eine Geldbuße von 150’000 Yen (rund 1’200 Euro) festgesetzt und fiel damit äußerst milde aus. Der Anwalt des Angeklagten kündigte umgehend an, in Revision zu gehen, und beklagte, dass sein Plädoyer quasi vollständig vom Richter ignoriert wurde – in selbigem legte er dar, dass Tattoos unter anderem durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt seien, und dass das Stechen eines Tattoos wohl kaum als medizinischer Eingriff bewertet werden kann.
Tattoos sind im heutigen Japan, zumindest meiner Beobachtung nach, beliebter als noch vor zwanzig Jahren zum Beispiel. Die Pauschalisierung, dass Tattooträger auf jeden Fall etwas mit den Yakuza zu tun haben müssen, verschwindet immer mehr aus den Köpfen der Menschen. Da allerdings Tattooträger immer noch sanktioniert werden (viele öffentliche Bäder und heiße Quellen zum Beispiel verbieten den Zutritt mit Tattoos), hält sich die Zahl der Tätowierten im Vergleich zu europäischen Ländern zum Beispiel stark in Grenzen. Das schöne an dieser Situation ist, dass man viel weniger abgrundtief schlechte Tattoos in Japan sieht als anderswo. Und die echten Yakuzatattoos sind sogar richtig etwas für’s Auge.
Man darf gespannt sein, ob die nächste Instanz das Urteil kassiert oder nicht. Persönlich halte ich von dem Urteil nichts – es ist einfach zur völlig übertrieben.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

5 Kommentare

  1. für mich ist die diskussion an sich zumindest nachvollziehbar – weshalb? die begründung würde mehr zeit und energie verschlingen würde als mir lieb und es dennoch angebracht wäre…

  2. Ich gönne Jedem sein Tattoo, bin aber selbst absolut kein Fan, auch nicht davon das es hier inzw. so viele Tattoträger gibt. Offen gesagt wünschte ich mir so ein Urteil auch in D.

  3. „Da die japanische Verfassung das Recht auf körperliche Unversehrtheit festschreibt, verstießen die Handlungen des nicht medizinisch geschulten Tattookünstler gegen geltendes Recht“
    Verstehen die Japaner die eigene Verfassung nicht? Das Recht auf körperliche Unversehrtheit heißt nur, daß der Staat keine Handlungen vornehmen darf, die die Körper ihrer Bürger versehren. Wie zum Beispiel Folter. Wenn sich jemand freiwillig in ein Tatoostudio begibt, um sich Stechen zu lassen, hat das nichts mit dem Verfassungsrecht zu tun.

    • Die Frage ob der Staat auch den Schutz der Grundrechte im Verhältnis zwischen Privaten übernehmen sollte wird auch in Deutschland diskutiert (Stichwort „Schutzpflichten“). In Deutschland wird es soweit ich weiß je nach Fall jeweils unterschiedlich entschieden.

    • Das ist nur eine Auslegungsmöglichkeit. Es ist nicht unüblich, dass entsprechende Regelungen den Staat entsprechend verpflichten mittels Gesetzen die Rechte für jedermann durchzusetzen. Eigentlich ist es sogar in Deutschland der Fall – die Strafbarkeit von Mord, Totschlag, Körperverletzung etc. finden ihren Ursprung im Grundgesetz und den entsprechenden Grundrechten auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Diese Grundrechte schützen nicht nur den Bürger gegenüber dem Staat sondern verpflichten auch den Staat zur Durchsetzung dieser Rechte. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit hätte sonst keinen großen Wert.

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