BlogFahrschule in Japan Teil 1

Fahrschule in Japan Teil 1

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Den deutschen Führerschein in Japan umschreiben lassen ist nur was für Weicheier Leute, die bereits einen gültigen Führerschein besitzen. Die ganz Harten (oder die, die einfach keinen deutschen Führerschein haben – oder zum Beispiel ihren Führerschein in den USA gemacht haben) ziehen die komplette japanische Fahrschule durch. Das ganze Prozedere ist dabei in zwei große Segmente gegliedert : Block 1 Theorie und Praxis, Block 2 Theorie und Praxis. Jeweils mit Prüfungen. Insgesamt durchläuft man also 4 Prüfungen – manchmal aber auch mehr, wie zum Beispiel in meiner Fahrschule.
Die Anmeldung ist einfach: Man zeigt seinen Ausweis oder Pass vor, macht kurze Seh-, Hör- und Motoriktests, zahlt etwas über 300’000 yen (rund 2’400 Euro) und schon ist man im Geschäft. Wer nur auf Automatikgetriebe lernen möchte, zahlt rund 20’000 yen weniger, darf dann aber entsprechend später nicht mit manuellem Getriebe fahren (andersrum geht). Die meisten Japaner machen heutzutage Automatik, und das ist in meiner Gegend zumindest verständlich, da es hier kaum einen Meter ebener Straße gibt. Man kann übrigens in Japan auch ganz ohne Fahrschule zum Prüfungszentrum gehen und dort die Prüfungen ablegen – dort lässt man solche Quereinsteiger aber zu 95% durchfallen. Wenn man nun sowieso nicht Auto fahren kann, ist die Fahrschule also eine notwendige Angelegenheit.
Nach der Anmeldung hat man genau 9 Monate Zeit, alles zu beenden. Wie praktisch. Genau so lang wie eine Schwangerschaft. Block 1 besteht aus 10 Theoriestunden und mindestens 10 Praxisstunden. In meiner Fahrschule stellt man das relativ geschickt an. Da man für die theoretische Zwischenprüfung 1’700 yen extra – je Versuch – zahlen muss, hat die Schule einfach eine eigene Prüfung, am Computer, davor geschaltet. Die kann man beliebig oft wiederholen, und das machen viele wohl auch: Nur 25% bestehen beim ersten Mal. Das ist nicht verwunderlich, denn man muss immerhin 90% der 50 Fragen (alle ja/nein) richtig beantworten, und bei der Hälfte der Fragen ist die Bezeichnung „Sprachtest“ angemessener. Erst danach kommt man ins nächste Level: Man macht die praktische Vorprüfung zur praktischen Zwischenprüfung. Wenn der Prüfer befindet, dass man reif für die Zwischenprüfung ist, kann man jene dann ablegen. Wer nicht bereit ist, muss mehr Stunden nehmen. Bei der 15-minütigen Fahrt beginnt man mit 100 Punkten. Danach gibt es je nach Delikt Punktabzug – wer unter 70 rutscht, kann aussteigen. Wer mit einem Reifen in den S- und L-Kurven über einen Bordstein fährt, kann ebenfalls aussteigen. Und zwar sofort, egal, wie viele Punkte man hatte.
Wer diese Hürden genommen hat, kann schließlich die theoretische Zwischenprüfung ablegen. Danach bekommt man die sogenannte 仮免許 karimenkyo, die provisorische Fahrerlaubnis. Erst mit dieser geht es raus auf die Strasse – alles andere davor spielt sich 場内 jōnai, auf dem Schulgelände, ab. Block 2 dann besteht aus mindestens 16 Stunden, darunter auch eine Autobahnfahrt. Ausserdem gibt es im Block 2 noch mal 16 Stunden Theorie, darunter 3 Stunden Erste Hilfe (es sei denn, man hat eine Ausbildung – die habe ich zwar, dank Y-Tours, aber das Übersetzen der Dokumente ist mir zu umständlich, und eine Auffrischung der Kenntnisse sicherlich nicht verkehrt).

Fahrschulgelände in Japan
Fahrschulgelände in Japan

Aufgrund der Arbeit kann ich natürlich nur an Wochenenden zur Fahrschule gehen – deshalb hat es letztendlich rund 2,5 Monate gedauert, Block 1 durchzuackern. Die Fahrschule ist ziemlich groß und gut durchorganisiert. Das bedeutet aber auch, dass man jedes Mal einen anderen Fahrlehrer hat, und das kann einen freilich in den Wahnsinn treiben – dem einen fährt man zu schnell um die Kurven („fahren Sie in der Prüfung bloß langsamer!!“), dem anderen zu langsam (Prüfer: „Also so langsam können Sie draußen aber nicht um die Kurven fahren!“)
Einen Ausländerbonus gibt es übrigens nicht. Allerdings erfuhr ich zwei Minuten vor der theoretischen Prüfung, dass es den Prüfungsbogen auch auf Englisch gäbe. Das war mir dann allerdings zu riskant, denn erstens vertraue ich, aus gutem Grunde, den japanischen Englischkenntnissen nicht, und wahrscheinlich hätte ich im Englischen auch Probleme mit den Definitionen. Das ist auch für Muttersprachler nicht einfach: Umgangssprachlich bedeutet zum Beispiel das Wort 車 kuruma „Auto“; in der StVO hingegen per definition „Gefährt“ und schliesst hernach Fahrräder und dergleichen ein.
Ach ja: Zum Thema gibt es übrigens einen interessanten (deutschen) Dokumentarfilm: You drive me crazy. Der begleitet einen Amerikaner auf Fahrschule in Japan, eine Deutsch in Indien und eine (sehr bemerkenswerte!) Koreanerin in München. Prädikat: Sehr unterhaltsam…
Teil 2 kommt später – versprochen. Hoffentlich noch in diesem Jahr…

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

10 Kommentare

  1. Den Dokumentarfilm schau ich mir gleich mal an. :)
    Haha! Sehr interessant. Ich bin wirklich froh, dass mir das erspart wurde – zumal es ja auch alles andere als günstig ist. T___T …..
    Ich war eines der „Weicheier“. ;)

  2. Ich dachte, in Japan wäre man zehn Monate schwanger. ;)
    On Topic: Ich selbst habe keinen Führerschein und möchte auch gerade in Japan nicht fahren. Schon als Fußgänger finde ich die Radfahrer in Tokyo beänstigend, nein danke.
    Off topic: Ich habe den Bericht übers Gefängnis fertig, finde aber auf der Seite keine Email-Adresse. Kann es sein, dass ich mich etwas doof anstelle?

  3. Ich frag mich des Öfteren wie und ob überhaupt Menschen im Japanischen Straßenverkehr ein Führerschein haben. Rote Ampeln missachten. Vorfahrt Regeln, Stopschilder sind oft nicht anerkannt. Ausgewiesene Geschwindigkeit wird meist mit 20 km/h überschritten oder aber unterschritten einzig hinter und vor einem Polizeiwagen wird 100% STVO gefahren. Ich will dir aber den Spaß nicht verderben darum halte dich an das was beidebFahrlehrer sagen und wähle die goldene Mitte am Ende wirrste wohl oder übel eh nur im Verkehr mitschwimmen.
    Nah dann wünsch ich dir gutes Gelingen und maximalen Erfolg.
    Gruß エンリコ٩(^‿^)۶

  4. Hallo Matthias,
    toller Artikel! Da bin ich echt froh, dass ich meinen Führerschein einfach umschreiben konnte… Aber in Deutschland habe ich auch 3500 Euro für meinen bezahlt, da ich 75 Fahrstunden brauchte…
    Darf ich deine Beiträge eigentlich auf meinem Blog verlinken?
    Viele Grüße
    Tessa

  5. War halt alles mal billiger, so vor einigen Jahren.
    Mein deutscher „grauer Lappen“ hat mich etwa 800 DM gekostet.
    Weichei wie ich bin, hier in Japan umschreiben lassen.
    Und ja, stimme voll und ganz zu …. bei manchem (oder reichlich vielen) japanischen Mobilisten fragt man sich, wo sie den Fuehrerschein gemacht haben. Sollte es da heissen KaKaKu.com oder Rakuten.com machen auch das moeglich?? *_*
    Dir auf jeden Fall viel Erfolg und gutes Gelingen (in kuerzest moeglicher Zeit, von wegen Finanzen!!).

  6. Ist schon eine weile her das ich den FS gemacht habe. In D natürlich. Theorie war einfach, nur bei den Vorfahrtfragen hatte ich Schweiß auf der Stirn, da genügt eine verkehrte Antwort um zum Wiederholungstäter zu werden. Und die Praxis – macht sich bezahlt wenn man vorher (Monate) Schwarz fährt – war kein Problem.
    Was habe ich bezahlt? Um die 1000 DM, mehr aber nicht (ist eine weile her). Meine Tochter (wohnt in Bayern) liegt jetzt bei 1750€ und ist noch nicht fertig.
    Na dann, viel Glück. Wird schon werden. :)

  7. Hallo Matthias,
    den Film habe ich übrigens gesehen. Hab meinen Führerschein in Österreich neu machen wollen und erst in Tschechien dann richtig gemacht, nach meinen Umzug aus der Ukraine.

  8. Hallo,

    interessanter Beitrag über Fahrschule und Autofahren Lernen in Japan. Vielen Dank dafür. So kann man anhand der Eindrücke und des Preis-/Leistungsverhältnisses einen Vergleich mit Fahrschulen in Europa machen.

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