BlogEulencafé

Eulencafé

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Und noch ein „aus gegebenem Anlass“-Artikel. Dieses Mal dreht es sich um die vor allem in Tokyo sehr beliebt gewordenen „Zoo trifft Café“-Hybriden – dazu zählen vor allem Katzencafés, Eulencafés aber auch Igelcafés (die Liste scheint immer länger zu werden: Goldfische, Papageien, Hasen usw. usf…). Der gegebene Anlass war ein Bummel mit meinem Besuch durch Asakusa (ich war ziemlich überrascht, denn das letzte Mal war ich vor rund 10 Jahren dort – die Menge der Touristen hat seitdem, wie es scheint, um ein Mehrfaches zugenommen). Am Wegesrand stand eine junge Frau mit einer massiven Eule auf dem Arm: Werbung für das アウルの森 Auru no mori (Eulenwald)-Café, mit einer weiteren Niederlassung in Akihabara. Probieren geht über studieren, also beschlossen wir kurzerhand, den nächsten Koffeinnachschub unter unseren gefiederten Freunden, vom Wesen her ja eigentlich eher nachtaktiv, folgen zu lassen.

Werbung für das Eulencafe
Werbung für das Eulencafe

Das Etablissement liegt im zweiten Stock. Eine aufgedrehte, aber so freundliche wie ausländische Bedienung erklärte uns erst mal die Regeln: Vorsicht, es laufen auch Tiere frei rum. Eulen nur mit dem Handrücken streicheln, und nur auf der Rückseite. Nicht mit Blitz fotografieren. Und so weiter. Die Liste war überschaubar. Pro Person kostet der Spaß 850 Yen, also gute 6 Euro, und ein Getränk ist im Preis einbegriffen. Im Inneren sah es eher aus wie ein Minizoo mit schwacher, sprich eulenfreundlicher Beleuchtung. Keine Stühle – stattdessen schieben sich die Leute durch das maximal 100 Quadratmeter grosse Zimmer (schwer zu sagen bei der Dunkelheit und den vielen Sachen, die da so rumsitzen und rumstehen) und bleiben hier und da stehen, um die Kreaturen zu tätscheln und zu fotografieren. In der hintersten Ecke steht ein Getränkeautomat, für den man ausserhalb 100 Yen für einen Kaffee bezahlt. Aber deswegen ist man ja nicht hier.
Sympathisch und desinteressiert: Eulen am Tag
Sympathisch und desinteressiert: Eulen am Tag

Und überall sitzen sie rum – große Eulen und kleine Eulen, dicke und dünne, weisse und dunkle. Sie wirken sediert, aber wer kann das schon so genau sagen. Nachtaktive Tiere sind eben so am Tag, und ich kann es bestimmt nicht einschätzen, ob die Eulen von dem Rummel gestresst sind oder nicht. Doch es gibt nicht nur Eulen. Am abgedunkelten Fenster unterhalten sich zwei Flamingos. Daneben steht träge hinter einer Holztür ein Capybara, der größte Nager auf Erden (hausschweingroß und in der Regel sehr gutmütig). In Japan kennt jedes Kind dieses südamerikanische Monstermeerschwein, während sie zumindest in Deutschland nicht allzu bekannt sind. Der Kollege wird mir später noch einen Schrecken einjagen, als er mir irgendwann neben dem Kaffeeautomat plötzlich um die Beine streift. Selbst Erdmännchen gibt es (die allerdings nicht frei rumlaufen dürfen) sowie einen ziemlich zerzausten Kakadu, der eine ältere Besucherin eindeutig auffordert, ihm gefälligst den Kopf weiter zu kraulen.
Faszinierend, das alles. Besonders beeindruckt bin ich jedoch, als die (amerikanische?) Angestellte, die uns am Empfang begegnete, ohne jegliche Schutzhandschuhe eine ziemlich großgewachsene Eule, die langsam nervös wurde, einfach so vom Kaffeeautomaten klaubte, weil sie kurz davor war, sich zu verheddern.
Angestellte im Cafe nach der Rettung einer Eule vom Getränkeautomaten. Man beachte die Krallen. Also die der Eule, meine ich.
Angestellte im Cafe nach der Rettung einer Eule vom Getränkeautomaten. Man beachte die Krallen. Also die der Eule, meine ich.

Offensichtlich gibt man sich große Mühe, den Laden sauber zu halten. Es riecht weniger streng, als man erwarten würde, und es ist ziemlich sauber. Für die Tiere ist das ganze ziemlich wahrscheinlich weniger unterhaltsam (und ich wüsste nur zu gern, was da nachts im Laden so abgeht), aber wer weiss – vielleicht begeistern sich ja ein paar Besucher durch den engen Kontakt mehr für Tiere, man kann es nie wissen. Wer sich für den Ort interessiert – die Webseite befindet sich hier.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

5 Kommentare

  1. also in deutschland hätte man spätestens am tag nach der eröffung den tierschutz, das veterinär – sowie das ordungsamt am hals und man könnte gleich wieder dicht machen weil das keine artgerechte haltung wäre. hier sind ja schon die katzencafes nur mit ausnahmegenehmigungen möglich und auch nicht wirklcih gerne gesehen. und wenn man doch nicht schliessen müsste stände aller spätestens am 4. tag der örtliche tierschutzverein auf der matte und würde draußen gegen die tierquälerrei demonstrieren und in allen sozialen medien würde zum boykott auf gerufen.
    ich glaub das konzept tiercafe würde in deutschland so nicht funtionieren können

  2. Dass sich so mehr Menschen für Tiere begeistern ist ein sehr wünschenswerter Gedanke. Meine Vermutung ist jedoch, dass es dabei fast immer nur um eine Bedürfnisbefriedigung geht. Die Tiere werden optimal nach ihren Eigenschaften vermarktet: Die süssen werdem zum streicheln und ansehen vermietet, die leckeren zum Essen auf den Teller gebracht und die flauschigen zum anziehen vernäht. Diese Form von ‚Pragmatik‘ fällt mir besonders in Japan auf. Dass sich nach der erkauften Dosis „かわいい“ noch jemand über Haltungsbedingungen, Schlachthäuser, Tierfabriken und Urwaldrodung Gedanken macht, halte ich leider für sehr unwahrscheinlich.

    • Was da zu viel, ist hier zu wenig. Interessant ist, dass das Thema Massentierhaltung z.B. in Japan absolut kein Thema ist. Mangels Berichten/Nachrichten könnte ich noch nicht einmal sagen, ob jenige in Japan wirklich im gleichen Ausmass betrieben wird oder eher nicht (letzteres ist auch denkbar, da ja der Großteil importiert wird).
      Gegen die Praxis, Straßenkötern und -katzen hier ziemlich schnell den Garaus zu machen herrscht allerdings auch in Japan Unmut, aber die sind eben auch „kawaii“, im Gegensatz zu Hühnern, Schweinen und Co…

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