BlogGlück gehabt! Japan muss doch kein Englisch mehr lernen

Glück gehabt! Japan muss doch kein Englisch mehr lernen

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Vielen stand schon der Angstschweiß auf der Stirn: Rugby WM 2019? Olympische Spiele 2020? Kommen da nicht furchtbar viele Ausländer? Die womöglich nicht der japanischen Sprache, obwohl sie doch so schön und wohlklingend ist, mächtig sind? Müssen wir wegen denen etwa Englisch lernen? Wie sollen wir das machen, wo doch noch nicht einmal die Englischlehrer an den Schulen richtig Englisch sprechen können? Schließlich haben wir ja mit „o-mo-te-na-shi“ (japanische Gastfreundschaft) geworben!
Doch jetzt kommt der Retter in der Not. Panasonic. Mit einem wahrhaft genialen Produkt, das sich durchaus mit dem „hon’yaku konnyaku“¹ der beliebten blauen Katze messen kann: Dem メガホンヤク Megahon’yaku, einem Wortspiel aus „Megahon“ (Megaphon) und „hon’yaku“ (Übersetzung). Das enorm große, rot-weiße Gerät hat eine Art Übersetzer mit Display integriert. Man spricht auf japanisch hinein, und heraus schallt es in der eingestellten Sprache – Englisch, Chinesisch und Koreanisch gehören dazu. Die ersten Geräte sind wohl schon auf dem Internationalen Flughafen Narita in Einsatz.

Megahon'yaku von Panasonic. Genau richtig, um die sturen Ausländer anzubrüllen!
Megahon’yaku von Panasonic. Genau richtig, um die sturen Ausländer anzubrüllen!

Was für ein Glück! Nun muss man die ganzen Einsatzkräfte nur noch mit dem Megaphon ausstatten und kann sich somit die teuren und häufig sinnlosen Englischkurse sparen! Man kann damit auch unnötige Diskussionen – denn Ausländer sind ja bekanntlich störrisch, undiszipliniert und stellen alles in Frage – vermeiden, denn der Megaphonträger versteht ja schliesslich etwaige Antworten oder Kommentare nicht. Genial! Das sind mindestens zwei Fliegen, mit einer Klappe!
Wie das ganze jedoch mit der viel gerühmten Gastfreundschaft in Einklang gebracht werden kann, ist mir ein Rätsel. An allen Ecken und Enden mit einem Megaphon angeherrscht zu werden, dass man sich gefälligst hierhin stellen soll und dies und jenes unterlassen soll, erscheint mir wenig attraktiv. Aber vielleicht kriegt man das ja mit einem Lächeln wieder hin.
Das Produkt ist noch nicht mal eine sensationelle Neuerung. Diverse Smartphone-Apps können sowas schon länger und besser – und ein solches anstelle eines Mikrofons an ein Megaphon anzuschliessen sollte so schwer nicht sein. Trotzdem wird das Megahon’yaku auf allen Kanälen als Sensation vorgestellt. Schöne neue Welt eben – Ausländer in die Schranken weisen, ohne deren Sprache sprechen zu müssen! Wenn mich demnächst jemand mit diesem Gerät anquatscht, werde ich wahrscheinlich auf stur schalten. Ich bin ja schließlich weder Engländer, Amerikaner, noch irgend ein anderer 英語人 eigojin (Englischmensch).
Das folgende, offizielle Video ist absolut sehenswert – vor allem die ersten 30 Sekunden. Und man deklariert das ganze sogar als „omotenashi – gastfreundlich“!

¹ Die Zeichentrickfigur Doraemon kommt aus der Zukunft und hat allerlei interessante Utensilien zur Hand, dazu zählt das „hon’yaku konnyaku“. „Hon’yaku“ bedeutet „Übersetzung“, „konnyaku“ ist ein geleeartiges Nahrungsmittel. Wer „hon’yaku konnyaku“ isst, kann plötzlich alle Fremdsprachen verstehen.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

11 Kommentare

  1. Ich frage mich sowieso warum die Japaner nicht Englisch lernen wollen, die ganze Welt spricht Englisch und wer das nicht kann ist international abgehängt.

    • Ich frage mich, wieso sie es nicht KÖNNEN, obwohl kein Land sich scheinbar so viel Mühe gibt mit Englischlernen. Überall Eikaiwa, normaler Unterricht an den Unis auf „Englisch“ etc. etc., und trotzdem kann es niemand?
      Da könnte man fast denken, die japanische Regierung möchte gar nicht, dass die Japaner Englisch lernen. Dann könnten sie ja auswandern, obwohl es in Japan so toll ist mit wunderbaren Arbeitsbedingungen! Oder ausländischen Medien folgen! Und die ganzen Eikaiwa-Schools würden zugrunde gehen. Das geht nun wirklich nicht.

      • Der Lobbyismus der Eikaiwa-Industrie dürfte sich in Grenzen halten. Eine Ursache ist meiner Meinung eher nach die Motivation. Man braucht Englisch in Japan, um an eine gute Uni zu kommen und einen guten Job zu ergattern. Doch noch ist alles auf den TOEIC ausgerichtet – und für den muss man Englisch nicht sprechen können. Man muss nur ein bisschen Grammatik können und all die kleinen Tricks beherrschen, mit denen man den TOEIC knacken kann. Würde man mündliche Tests einführen, würde das Englisch-Level ziemlich schnell steigen. Aber so recht scheint man da kein Interesse daran zu haben, weil es zu aufwändig wäre.

        • Aber wieso haben dann die Konversationsschulen zu viel Zulauf? Für den TOEIC muss man nicht sprechen können, wie du richtig sagst, also wieso wenden so viele Japaner Zeit und Geld auf, um sich dort in schlechtem Englisch zu unterhalten? Was haben die davon? Und wieso werden sie nicht besser?

          • Naja, es gibt so’ne und solche. Seit dem Zusammenbruch von NOVA hat sich das Niveau der Konversationsschulen etwas gebessert, und ich kenne sehr viele (kleine) Eikaiwas, die sich richtig Mühe geben, den Schülern etwas beizubringen. Das Problem liegt unter anderem darin, das Konversationsschulen für viele einfach zu teuer sind. Und der Glaube, mit 2, 3 Stunden Englisch pro Woche etwas erreichen zu können, leitet da auch viele fehl. CLIL & Extensive Reading finden auch immer mehr Fans, aber das erreicht alles noch nicht die breite Masse, da es an guten (pädagogisch versierten) japanischen Englischlehrern mangelt.

      • Tja, das war leider nichts. Ich habe niemanden gesehen der ein solches Ding in der Hand gehabt hätte. In einer Ecke stand allerdings eine Flüstertüte, die ganz alleine vor sich hin quäkte…
        Detail am Rande: Der Ausreisezettel ist weggefallen. Ich war erst irritiert, ist aber richtig so.
        Witzigerweise wurde ich mehrmals gefragt ob ich in Tokyo lebe. Zum zweiten Mal da und schon quasi eingebürgert, so muss das sein. ;-)

  2. Die Idee ist ausbaufähig. Wie wäre es mit einem „Echte-Meinung-Megaphon“? Man spricht eine übliche, verklausolierte Formel wie „Ich werde mir das nochmal überlegen“ rein und vor kommt „Merkst du nicht selber wie bescheuert das ist“ raus. Kein Gesichtsverlust, hat man ja nicht selbst gesagt, sondern das Gerät wars.

  3. Ich verstehe den negativen Unterton des Artikels gar nicht. Das device löst ein echtes Praxisproblem. Zu glauben, dass in Deutschland jeder Bahnschaffner und Fußballstadion-Ordner in perfektem Englisch, Französisch und Italienisch eine Durchsage machen kann, scheint mir etwas weltfremd zu sein.

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