BlogDie Arroganz der Filmübersetzer

Die Arroganz der Filmübersetzer

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Als ich neulich in meiner kargen Freizeit Netflix anschaltete, landete ich plötzlich (ja ja, immer diese Ausreden) bei Star Trek, genauer gesagt bei Captain Archer. Der Name der Folge: The Hatchery. Der Brutraum. Auf Japanisch würde man das ohne großartige Rumdeuterei mit 孵化室 übersetzen. Und darum geht es in der Folge auch. Um eine Brutstation einer insektoiden Spezies. Da ich nun aber in Japan bin, bietet mir Netflix das ganze mit japanischen Titeln und Untertiteln an. Der japanische Titel besagter Folge lautet: トゥポルの反乱, „T’pols Meuterei“. Was ist geschehen? Wollte der Übersetzer damit angeben, dass er oder sie die Folge wirklich gesehen hat, ergo weiß, worum es da geht? Bei Filmen ist das noch in einigen Fällen nachvollziehbar. Ein Filmtitel ist immer auch gleichzeitig Werbung für den Film, und es gibt Titel, die aus linguistischen oder kulturellen Gründen einfach nicht ziehen, wenn man sie direkt übersetzt. Man wird dann kreativ und wählt mitunter einen völlig anderen Titel. Hier reden wir jedoch über eine von sehr vielen Folgen einer Fernsehserie, und ausser der Arroganz des Übersetzenden gibt es keinen triftigen Grund, den Titel dieser Folge nicht so zu übersetzen, wie er von den Machern der Serie vorgesehen ist. Ob der Titel nun Brutraum oder T’pols Meuterei lautet, dürfte da null Einfluss haben darauf, ob sich jemand die Folge ansieht oder nicht (wer aus Langeweile wissen will, wie die ganzen Star Trek-Folgen übersetzt werden, ist bei der USS Kyushu genau richtig).

Des einen Freud', des anderen Leid: Untertitel
Des einen Freud‘, des anderen Leid: Untertitel

Ach, Untertitel. Ein Kapitel für sich. Einerseits kann man sich glücklich schätzen, dass die meisten ausländischen Filme in Japan nicht synchronisiert (吹替 fukikae), sondern mit Untertiteln (字幕 jimaku) versehen werden. Denn so viel steht fest: Sigourney Weaver ist einfach nicht Sigourney Weaver auf Japanisch. In Sachen Synchronisation ist man in Deutschland weit fortgeschrittener, was das Bemühen angeht, den Charakter der Rolle zu wahren. Das Problem bei den Untertiteln ist jedoch, dass man automatisch mitliest (wohlgemerkt eine wunderbare Methode, seine Japanischkenntnisse zu vertiefen!), und sich jedes Mal grün und blau darüber ärgert, wie stark das im Original Gesagte verstümmelt wird. Nicht selten aus gutem Grund, aber oftmals auch unnötig. Ich habe schon mehrfach Filme gesehen, die vor herrlichen, feinsinnigen Pointen nur so strotzten – aber die Untertitel waren dermassen lustlos übersetzt worden, dass das Kunstwerk für den japanischen Cineasten zu einem sterbenslangweiligen Streifen mutierte. Auffällig ist auch, dass die meisten Übersetzer der gleichen Schule zu entspringen scheinen. Gewisse Regeln werden da eisern eingehalten – das gilt auch für die Synchronisation. Da kann Superemanze mit Raketenwerfer rauchend durch das Bild marschieren – ihr wird sowohl bei der Synchronisation als auch bei Untertiteln der sehr weibliche Partikel „wa“ angedichtet. Da heisst es dann nicht „I kill you“, sondern „korosu wa yo“. Alles klar. Immerhin: Da Untertitel oft zu schnell vorüberziehen, verlegt man sich schnell darauf, nur die chinesischen Schriftzeichen aus den Titel „querzulesen“, den Rest ignoriert man irgendwann automatisch. Genauso, wie man bei deutschen Untertiteln schnell Artikel und dergleichen überliest.
Bei Filmtiteln geht es natürlich auch mitunter wild zu, aber das ist ja in Deutschland nicht anders:

Original Japanisch Übersetzung Deutscher Titel Kommentar
IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO (The Good, the Bad and the Ugly) 続・夕陽のガンマン Fortsetzung: Der Pistolenheld der Abendsonne Zwei glorreiche Halunken Der Klassiker. Warum man wohl entschieden hat, dass das eine Fortsetzung ist!?
Napoleon Dynamite バス男 Der Bus-Mann Napoleon Dynamite Da dachte man wohl an den in Japan beliebten 電車男, den „Zug-Mann“…
The Return of the Living Dead バタリアン Battalion Verdammt, die Zombies kommen Immerhin besser als der deutsche Titel…
Gravity (Film) ゼロ・グラビティ Schwerelosigkeit (=Zero Gravity) Gravity „Schwerkraft“ war wohl nicht packend genug…
Gravity (Star Trek-Folge) ブラックホールと共に消えた恋 Die Liebe, die mit dem Schwarzen Loch verschwand Schwere Wie poetisch!
The Martian – Bring him home オデッセイ Odyssey Der Marsianer – Rettet Mark Watney Da wollte man wohl Science Fiction-Hasser nicht vergrausen…
tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

4 Kommentare

  1. Ich denke, Übersetzungen (und besonders Filmübersetzungen) sind halt immer ein Thema für sich. Manche Übersetzungen vom Japanischen in andere Sprachen sind manchmal auch nicht sehr gelungen, was wie du schon angedeutet hast, halt auch an kulturellen Grenzen liegt…
    Nebenbei zu deiner Frage in der Tabelle warum „Zwei glorreiche Halunken“ eine Fortsetzung ist: Es ist der dritte Teil der sogenannten Dollar-Trilogie (alle drei Filme mit Clint Eastwood), wobei der erste Teil unter Liebhabern von Samurai-Filmen besondere Berühmtheit genießt, es ist nämlich ein totaler Abklatsch von Akira Kurosawas „Yojimbo“. Das wissen glaub ich viele Japaner, da es deswegen auch einen Rechtsstreit zwischen Hollywood und Kurosawa gab. Wundert mich eigentlich, dass du das nicht wusstest… Aber der japanische Titel ist dennoch nicht sehr originell, geb ich dir recht.

    • @MrGoodBytes kleine Korrektur: da es sich bei „Für eine Handvoll Dollar“ (dem Yojimbo-Remake) um eine europäische Produktion handelte, verlief auch der Rechststreit zwischen Kurosawa + seinem Drehbuchautor Kikushima einerseits und den europäischen Produzenten (u.a. die dt. Constantin) andererseits. Die Japaner gewannen übrigens und erhielten fortan 15% der weltweiten Einnahmen. Kurosawa soll später mal gemeint haben, das habe ihm mehr eingebracht als Yojimbo selbst.

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