BlogDie Moral des rechten Randes

Die Moral des rechten Randes

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Das ist eine Sache, die ich nie vollends begreifen werde. Weder in Deutschland, noch in Japan. Beide Länder haben bekannterweise Gruppierungen am äußersten rechten Rand, und diese Gruppierungen haben je nach Region mal mehr, mal weniger Einfluss auf die Politik. In Japan eher mehr. Was mich jedoch immer wundert, ist der Widerspruch zwischen den (vermeintlichen) Werten des rechten Randes, und dem, was der rechte Rand in Wirklichkeit tut. Aber vielleicht kann mich mal irgendjemand, vielleicht vom rechten Rand?, aufklären.
Was ich immer wieder von Ultranationalisten zu hören bekomme, ist die hohe Stellung sagen wir mal deutscher oder eben japanischer Tugenden. Wikipedia beschreibt das Wort Tugend wie folgt:

Das Wort Tugend (lateinisch virtus, altgriechisch ἀρετή aretḗ) ist abgeleitet von taugen; die ursprüngliche Grundbedeutung ist die Tauglichkeit (Tüchtigkeit, Vorzüglichkeit) einer Person. Allgemein versteht man unter Tugend eine hervorragende Eigenschaft oder vorbildliche Haltung.

Tüchtig also. Hervorragende Eigenschaft. Vorbildliche Haltung. Demgegenüber stehen die natürlichen Feinde des rechten Randes: Gesellschaftliche Randgruppen, Ausländer, „Zecken“ usw. – untugendhaftes Gesindel also. Doch dann so was: Spendenskandale bei der NPD. Der Schatzmeister brennt mit der Parteikasse durch. Filz in Trumps Regierung. Filz bei den Ultrarechten in Japan: Dort macht gerade ein Skandal Schlagzeilen, der den ganzen Filz herrlich verdeutlicht. Es geht um 学校法人「森友学園」 Moritomo Gakuen (anerkannte Schulträgerschaft), ein Verein, der in Japan einige ultranationalistische Kindergärten (!) und Schulen betreibt. Moritomo wolle jüngst in Osaka ein Grundstück für den Neubau einer Grundschule erwerben. Der Grundstückspreis wurde mit 956 Millionen Yen taxiert (rund 8 Millionen Euro), doch der Schulträger erhielt den Zuschlag für 134 Millionen Yen, also einer guten Million Euro. Ein saftiger Rabatt also. Pikantes Detail: Akie Abe, Ehefrau des Ministerpräsidenten Abe, war bis vor kurzem Ehrendirektorin der Schule (und redete sich damit heraus, dass man ihr diese Würde quasi derart auferzwungen hat, dass sie nicht nein sagen konnte). Auch Abe selbst werden Verbindungen zu Moritomo nachgesagt.
Den ordentlichen Preisnachlass begründet man nun mit Altlasten: So soll es auf dem Grundstück Altlasten geben, deren Beseitigung 7 Millionen Euro kostet. Aufgrund der Proteste, die es nun von verschiedenen Seiten gibt, hat der Gouverneur von Osaka nun eine Untersuchung angekündigt und bis zu deren Ende die Genehmigung verweigert. Immerhin.
Das ganze entpuppt sich jedoch mehr und mehr als Sumpf, und je mehr darin herumgestochert wird, desto trüber und tiefer wird er. Repräsentiert das etwa die Tugenden, auf die die Nationalisten so stolz sind? Die von Moritomo betriebene Grundschule mit dem klangvollen Namen 瑞穂の國 Mizuho-no-kuni hat sich schließlich folgendes auf die Fahnen geschrieben:

日本人としての誇り・貢献・達成力の確保 国家有為の人材育成

— „Die Erhaltung von Leistung, Dienst und Stolz als Japaner – Erziehung der Menschen als Begabung der Nation“ (der Spruch ist so krude, dass ich ernsthafte Mühe habe, ihn zu übersetzen). Schaffenskraft, Dienst, Stolz… durch krumme Grundstücksgeschäfte, mit geheimen Verwicklungen bis in die höchsten Ebenen hinein? Welche Tugenden werden denn hier präsentiert – wie passt das alles zusammen? Ich kann mir einfach keinen Reim daraus machen. Selbst mit allerbestem Willen fällt es mir schwer, dem rechten Rand auch nur eine Spur Glaubwürdigkeit abzugewinnen. Aber halt: Vielleicht ist das ja auch alles nur Lügenpresse, und eigentlich alles ganz, ganz anders!? Sicher, das muss es wohl sein. Anders würde der ganze Zirkus ja keinen Sinn ergeben. Oder?

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

21 Kommentare

  1. [Verschwörungtheoretiker-Modus an] Betrug?! Niemals! Sowas machen nur Koreaner und Chinesen! Doch die traurige Wahrheit ist, dass die schon lange Medien und die Politik unterlaufen haben. Ohne tapfere Menschen, die sich gegen diese Bedrohung zusammenschließen, um Horte des Nationalstolzes zu schaffen, wäre das Bauprojekt im Keim erstickt worden! Und was haben Sie überhaupt gegen diese Schule? Sind Sie denn etwa nicht der Meinung, dass Kinder stolz auf die Heimat ihrer Vorväter sein sollten? Sind Sie der Meinung, dass sie zu sich selbst geißelnden Apologeten erzogen werden sollten? Dann sind Sie das Problem und unwissender Handlanger der Kommunisten und Geschichtsverfälscher! Die japanische Jugend muss wieder stark im Geiste werden und wie soll das funktionieren mit einem Erziehungssystem, das auf Schande baut? Denken Sie selbst mal nach und benutzen Sie ihren Kopf nicht nur als Hutständer![Verschwörungstheoretiker-Modus aus]
    Aus der Ferne ist es ganz amüsant, das Ganze mitzuverfolgen. Gleichzeitig ist es aber immer wieder unglaublich frustrierend, wenn einem bewusst wird, was für einen relativ großen Einfluss solche Leute in Japan haben.

  2. Deine Kritik ist berechtigt, ist allerdings kein Phänomen, das sich irgendwie nur bei den (Ultra-) Nationalisten finden ließe, auch wenn das Spotten über diese aktueller Zeitgeist ist, sondern findet sich in der Politik insgesamt.
    Linke Antikapitalismus-Demonstranten in Nike-Schuhen (gesehen auf Bildern bei den Ausschreitungen in Frankfurt zur Eröffnung der neuen EZB-Zentrale) oder SPDler mit Veruntreuung von Geldern der Tafel ( http://www.westfalen-blatt.de/OWL/Lokales/Kreis-Herford/Herford/2713561-Ehemaliger-Bueroangestellter-gibt-Betrug-zu-neun-Monate-auf-Bewaehrung-Tafel-Gelder-fuer-SM-Szene-veruntreut ) sind Teile der anderen Seite der Medaille. Ich würde auch jede Wette eingehen, dass es nicht wenige (junge) Grüne gibt, die ein iPhone ihr Eigen nennen.

    • Dass Heuchelei in allen politischen Lagern und Gesinnungen zu finden sind, steht außer Frage. Das ist ja letztendlich – leider – nur menschlich.
      Doch ein „Öko-Jünger“, der heimlich ein Steak isst und dann in seinen Adidas mit dem Auto zur 500 Meter entfernten Fitnessbude fährt, ist dann doch etwas anderes als ein stramm Rechtsnationaler, der von Fleiß, Disziplin und Ehre schwadroniert – und dann Geld unterschlägt.

      • > ein stramm Rechtsnationaler, der von Fleiß, Disziplin und Ehre schwadroniert – und dann Geld unterschlägt.
        Meiner Meinung nach laesst sich das durch „Rationalisierung“ nachvollziehen. Der Rechtsnationale (oder wer auch immer)
        handelt zunaechst gegen seine eigenen Prinzipien, um damit aber spaeter ein groesseres (prinzipientreues) Ziel zu
        erreichen. Z.B. einen Kindergarten bauen, welcher explizit „edle“ Tugenden bei einer ganzen Generation foerdert.
        Mit solchen Rationalisierungen lassen sich praktisch saemtliche Untaten erst einmal vor sich selbst rechtfertigen.

        • „all for a greater good“ – richtig. Allerdings ist die politische Rechte in Japan alles andere als arm – eigentlich wäre man nicht auf solche krummen Geschäfte angewiesen. Aber zum Selbstbetrug reicht das wahrscheinlich wirklich aus.

    • Mal so gefragt: Kennst du einen Schuhhersteller, der nicht kapitalistisch ist?
      Man kann ja wohl kaum auf ner Demo barfuß laufen.
      Weniger menschenfeindlich sein dagegen, dafür braucht man gar nichts.

      • Alle sind natürlich auf Gewinn aus. Das ist das System. Mit Tauschhandel kommt man in unseren Sphären nicht weit.
        Es gibt allerdings Schuhfirmen, die Schuhe in kleinen oder mittelgroßen Betrieben in Europa fertigen und nicht nur Massenware aus Asien in alle Welt verschiffen und zu einem gesalzenen Preis verkaufen, obwohl die Produktion vergleichsweise günstig war.
        Es ist vollkommen bekloppt antikapitalistische Parolen (am besten noch mit mit Hammer-und-Sichel-Fahne) zu gröhlen, während man selbst nur Markenklamotten an sich trägt.
        Die Menschenfeindlichkeitskarte zieht bei mir nicht. Das haben die Linksextremen genauso gut drauf.

  3. Bin zwar nicht vom rechten Rand („gut bürgerliche“ Erziehung, samt dem ganzen Tugend-Zeug), aber für mich klingt das eher nach üblicher Heuchelei. Ich habe auch so ein paar spezielle Gesellen in meinem (eher links-liberalen) Bekanntenkreis, die grundsätzlich alles amerikanische verteufeln, komischerweise aber trotzdem ständig über die neusten Kulturerzeugnisse aus den USA bestens informiert sind. Ich hake sowas meist unter „menschliches und allzumenschliches“ ab. Und wenn auch noch Geld ins Spiel kommt, werden die meisten Leute eben besonders „menschlich“.
    Grundsätzlich kommt es mir ohnehin so vor, als ob Ideale – sofern man sie so nennen mag – bei den meisten Leuten nur noch existieren um sie dem Gegenüber unter die Nase zu reiben zu können. Und da nehmen sich beide Lager absolut nichts. Siehe „Virtue signalling“.

  4. Jaja, Japan und seine „Altehrwuerdigen“.
    Ist schon ein Hammer, und es sollte angemerkt werden, dass besagte Schule (bzw. der Obere) auch Brieflein schrieb, in denen Koreaner und Chinesen „verunglimpft“ wurden.
    Japan, Japan ueber alles, das gefaellt natuerlich Herrn Abe und Konsorten.

  5. Hab mich schon gefragt wann du das aufgreifst. :-)
    Immerhin ist diese Geschichte schon bis Deutschland gedrungen.
    Im Grunde ist das stinknormale Korruption, so was nötigt mir kaum noch ein Achselzucken ab.
    Die Verbindung dieses nationalistischen Gesocks zur hohen Politik finde ich bedenklicher.

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