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Also das mit dem omotenashi…

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… muss vor den Olympischen Spielen scheinbar noch ein bisschen geübt werden. Schliesslich war „Omotenashi“ (in etwa: „Gastfreundschaft“) eines der Schlagwörter bei der Bewerbung für die Olympischen Spiele 2020. Und auf besagtes „omotenashi“ ist man in Japan ganz besonders stolz — gerade so, als ob so etwas wie Gastfreundschaft in anderen Ländern auf gar keinen Fall existiert.
Heute wurde bekannt, dass ein Angestellter der Nankai-Eisenbahnlinie am 10. Oktober eine Lautsprecherdurchsage der etwas anderen Art durch den Äther pustete: „Heute fahren viele Ausländer mit diesem Zug, weshalb es sehr voll ist. Wir bitten die japanischen Passagiere um Verständnis für die damit verbundenen Unannehmlichkeiten“.¹ Ein japanischer Fahrgast erkundigte sich daraufhin an der Endhaltestelle, ob besagte Durchsage etwa eine Standarddurchsage sei. Der Angestellte wurde daraufhin befragt und letztendlich abgemahnt. Seine Begründung für sein Verhalten: Ein japanischer Passagier hatte sich lautstark beschwert, dass so viele Ausländer im Zug seien und es deshalb unerträglich laut sei. Laut Befragung sah sich der Schaffner daraufhin genötigt, sich mit der Durchsage zu entschuldigen — wohl aber nicht mit der Absicht, diskriminieren zu wollen. Nun ja. Laut Bahnlinie gab es schon häufiger Beschwerden über Ausländer in dem Zug aufgrund der Lautstärke und ihres Gepäcks, das die Wege versperrt. Allerdings: Bei der Bahnlinie handelt es sich um einen Flughafenzubringer (zum nicht gerade kleinen Kansai International Airport bei Osaka).
Passend zum Thema – quasi gleich in der Nähe, im Stadtzentrum von Osaka, wurde in der vergangenen Woche aufgedeckt, dass ein Sushirestaurant mit dem Namen Ichiba Zushi ausländischen Gästen wesentlich mehr Wasabi ins Sushi unterjubelt als einheimischen Gästen. Während sich die Japaner genüsslich das Sushi schmecken liessen, hatten so die ahnungslosen Ausländer einfach nur Tränen in den Augen². Der Vorfall erhielt bald Beinamen wie Wasabi-Terror und dergleichen. Letztendlich entschuldigte sich der Restaurantbetreiber öffentlich für das Fehlverhalten seiner Angestellten. Die hatten allerdings auch eine Erklärung parat: Vor allem koreanische Gäste fragten oft nach extra viel Wasabi, denn wie ja allgemein bekannt, speisen Koreaner gern scharf. Irgendwann sind die Sushimeister deshalb darin übergegangen, ungefragt den Wasabigehalt zu erhöhen. Das ist in der Tat jedoch nicht normal: Extra viel oder gar kein Wasabi sind bei Sushirestaurants Standardwünsche, doch die Betonung liegt da auf „-wünsche“.
Fairerweise muss man allerdings dazu sagen, dass solche Vorfälle relativ selten sind – so selten, dass sie es in die Hauptschlagzeilen schaffen, so sie denn entdeckt werden. Sicher – Diskriminierung gibt es auch in Japan (in sehr vielen Fällen wird das von den Betroffenen mangels Sprachkenntnisse nicht einmal bemerkt, aber es gibt sie eben auch). So wurde mir ein Mal eine Reservierung in einem Hotel verweigert, mit der Begründung, man nehme keine Ausländer auf, da man kein Ausländisch spreche und deshalb nicht den üblichen Service garantieren könne (sehr einleuchtend!). Dass die obigen Fälle jedoch in Kansai stattfanden, überrascht mich zumindest nicht sehr. Denn dort wird man oben genannte negative Extreme als auch positive Extreme wie diesen hier eher erleben als zum Beispiel in Tokyo.
¹ O-Ton: „本日は多数の外国人のお客さまが乗車されており、大変混雑しておりますので、日本人のお客さまにはご不便をおかけしております“. Siehe hier (Mainichi Shimbun)
² Siehe unter anderem hier (Nikkei)

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

1 Kommentar

  1. Stand sogar schon in der Japan Times… ;-)
    Ich würde das aber nicht überbewerten. Das mit den nervig lauten Touris werden wohl viele bestätigen können. Klar, geschickt war das trotzdem nicht.

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