BlogEndlich: Neue Radfahrerverordnung in Kraft

Endlich: Neue Radfahrerverordnung in Kraft

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Neue Regeln freundlich erklärt. Quelle: Polizei der Präfektur Chiba
Neue Regeln freundlich erklärt. Quelle: Polizei der Präfektur Chiba – siehe hier (PDF)

Als notorischer Radfahrer freue ich mich in der Regel natürlich nicht, wenn neue Verkehrsregeln für Radfahrer in Kraft treten, denn Regelwerke dieser Art werden selten einfacher, sondern eher komplizierter. In diesem Fall gibt es jedoch eine Ausnahme: Seit gestern ist die neue Radfahrverordnung in Kraft, und die schliesst endlich eine Gesetzeslücke: Geisterfahrern soll es an den Kragen gehen. So recht verschliesst sich mir immer noch nicht die Logik dahinter, warum in Japan so viele mit dem Fahrrad entgegen der Fahrtrichtung fahren. Es muss wohl der Irrglaube sein, das man damit sicherer unterwegs ist, da man ja die Autos, die auf der gleichen Spur fahren, von vorn sehen kann. Dass sich die Geschwindkeit beim Aufprall im Vergleich zur Fahrt in Fahrtrichtung quasi vervierfacht (hmm, Physikunterricht ist zu lange her, deshalb setze ich hier mal vorsichtshalber ein ? dahinter), scheint nur wenigen bewusst zu sein.
Interessanterweise, beziehungsweise dummerweise, hat sich die Industrie diesem fatalen Irrtum auch noch angepasst, obwohl das ebenso eine Huhn-Ei-Geschichte sein könnte: In Japan verkaufte Fahrräder haben normalerweise nur vorne Licht (hinten maximal ein Katzenauge), und mangels Fahrrad- und Fahrradzubehördiebstahldelikten sind Anstecklichter noch ziemlich exotisch. Will heissen, 99% der Fahrräder haben, wenn überhaupt, nur ein Vorderlicht. Klar, dass das den Glauben verstärkt, eher gesehen zu werden, wenn man entgegen der Fahrtrichtung fährt.
Dies war bisher auch mangels Gesetzesgrundlage zwar nicht explizit erlaubt, aber eben auch nicht verboten, doch seit gestern kann das mit 3 Monaten auf Bewährung oder maximal 50,000 Yen (momentan 400 Euro) geahndet werden. Sehr vernünftig. Das werde ich bei Gelegenheit auch mal der jungen Mutter flüstern, wenn sie mal wieder mit Karacho sowie zwei Kindern auf dem Fahrrad aus der Nebenstrasse auf die entgegengesetzte Fahrbahn der Hauptstrasse rast. Wären da nicht ihre beiden Kinder, hätte ich sie mit Sicherheit schon einmal vom Rad gezerrt.
Auch ein paar andere Unsitten sollen von nun an schärfer verfolgt werden. Darunter zählen Favoriten wie mit nach vorne gerichteten, aufgespanntem Regenschirm fahren, beim Fahren laute Musik hören, Fernsehen schauen oder telefonieren, fahren auf dem Bürgersteig (auch dies ist noch immer die Regel) sowie das Überfahren roter Ampeln. Bei letzterem Delikt wäre mir jedoch wohler, wenn mann erstmal die Autofahrer davon abbringt, denn das ist in Japan bei weitem keine Seltenheit.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

24 Kommentare

  1. Find’s immer witzig, wenn die Leute hier in Tokyo erzaehlen: „Da in Osaka laufen die Leute ueber rote Ampeln“ „und im Ausland auch!“
    … und ich fahre jeden morgen gemuetlich in der Kolonne mit einem Dutzend Japanern auf dem Fahrrad ueber die roten Ampeln auf dem Weg zum Bahnhof …

  2. Fahrrad fahren in Japan macht mir echt keinen Spaß. Ich finds unglaublich anstrengend… Dabei hatte ich mich so gefreut als ich mein Fahrrad bekommen habe. Anders wäre es glaube ich wenn ich bisschen auf dem Land wohnen würde. Und als Fußgänger muss man auch echt aufpassen überfahren zu werden…warum benutzen die meisten nicht ihre Fahrradklingel? Ich sehe auch oft Mütter mit ihren Kindern durch die Gegend heizen, da wird einem bei dem Anblick manchmal ganz anders… Und einen Helm tragen sie auch nicht. Gibt es sowas nicht wie Helmpflicht?

    • Für Kinder gibt es hier generall keinen Schutz.
      Da springen und klettern die Kinder vom Vordersitz auf den Rücksitz herum, weder angeschnallt noch Kidersitz während die Mama fröhlich raucht bei geschlossenen Fenstern.
      Oder der 2-jährige sitzt auf dem Vordersitz ….
      Das sind Zustände, da könnte ich jedes Mal die Krise kriegen.
      Und hier auf dem Land ist es nur bedingt besser mit dem Fahrrad fahren. Sobald du auf eine etwas belebtere Straße kommst, wird es anstrengend und wenn gerade die ganzen Schüler von der oder zur Schule fahren gibt es auch Chaos…

  3. Und wir dachten, man darf/kann/muss auf dem Fussweg fahren. Wir fanden das sehr angenehm, als wir mit unaerem Sohn zwei Tage Kyoto mit dem Fahrrad vermessen haben. Auf den Hauptstrassen haben wir kaum Japan mit dem Fahrrad gesehen.

  4. Hört sich an wie eine gute Sache. Ich bin gespannt ob das die Strassen von Japan wirklich weniger chaotisch macht.
    Ich kann bezeugen, dass das Fahrradfahren in Kyoto eine Menge Spass macht! In Tokyo habe ich mich das bisher nicht getraut. Aber viellicht versuche ich es diesen Winter Mal in Machida.
    Trotz dem Bedarf nach Ordnung – ich hoffe dass mit den neuen Regeln so charakteristische Dinge wie nicht verschwinden. Irgendwo muss man den Kompromiss zwischen wichtigen Gesetzen und Bagatellen finden. (->Siehe „was haben wir nicht alles überlebt“-Parodien.)

    • So charakteristische Dinge wie „Fahrradfahrer mit Schirmhalterin auf dem Gepäckträger“
      (Anscheinend hat die gewählte Sonderzeichenkombination den dazwischenliegenden Textteil direkt entfernt?)

  5. Feine Sache. Leider wird sich der Grossteil der Japaner nicht daran halten. Den Autofahrern versucht man ja auch schon seit Jahren erfolglos das Tv glotzen, telefonieren, schminken, lesen, usw. während des Fahrens zu verbieten. Aber wenigstens hat man jetzt eine rechtliche Handhabe, wenn einen mal wieder ein telefonierender Mamacharipilot auf dem Gehweg über den Haufen fährt….

  6. Ich fahre nicht mehr mit dem Fahrrad seit ca. 2 Jahren.
    Mein Fahrrad wurde mir hier im tiefsten Inaka von hinter meinem Haus aus geklaut und das obwohl es abgesperrt war!
    Da kommen so gut wie nie Leute vorbei und man kann das als Außenstehender überhaupt nicht sehen. Ich nehme bis heute an, dass das ein Nachbar war, der dann weggezogen ist (mit meinem Fahrrad).
    Als ich noch jeden Tag Fahrrad gefahren bin, bin ich immer auf dem Gehsteig gefahren und sonst natürlich auf der linken Seite der Straße.
    Ich kann das ja mit dem Schirm verstehen, aber wenn es aus Eimern schüttet und man zur Arbeit nicht total durchnässt kommen möchte, dann BRAUCHT man zusätzlich zur Regenkleidung auch einen Schirm beim Fahrrad fahren. ;)
    Und wozu es hier in Japan überhaupt Verkehrsregeln gibt ist mir schleierhaft. Es hält sich ja sowieso keiner dran. Ich könnte wirklich täglich fluchen…. bzw. ich tu es tatsächlich bei den ganzen Idioten da draußen und das schließt Autofahrer sowie Fahrradfahrer mit ein.

    • Also ich finde, dass Japaner relativ gesittet fahren. Schau dir mal z.B. Taiwan an, da ist Japan das Paradies gegen.
      Klar fahren Japaner in einigen Bereichen sehr merkwürdig, aber in anderen Bereichen wieder etwas vernünftiger. Umgekehrt ist es bei Deutschen auch so, wie ein normaler Deutscher auf der Straße rast ist ja auch nicht schön.

      • Sicher – schlimmer geht immer! Taiwan bzw. eigentlich die komplette Große Chinesische Wohlstandssphäre sind verkehrstechnisch weitaus schlimmer. Aber daran wollen wir uns ja lieber nicht messen.

  7. „3 Jahren auf Bewährung oder maximal 50,000 Yen (momentan 400 Euro)“
    Das würde ich mir auch für Hierland wünschen, wenn es denn auch mal konsequent angewendet würde! Die Radler waren bei meiner Reise durch Japan eigentlich das einzige Ärgernis, das aber so richtig, besonders in Tokyo. Als ob die sonst so ins konform sein verliebten Japaner hier ihre private Anarchie ausleben wollen. ;-)
    Wäre schön wenn das Gesetz greifen würde, ist aber wohl nur ein Wunschtraum.

  8. Und als nächstes bringen wir den Japanern bei, was ein Zebrastreifen ist und was passiert, wenn man kleine Kinder nicht in angemessene Sitze anschnallt. Ich sehe das so oft, dass kleine Kinder vorn sitzen oder über die Hintersitze krabbeln ohne angeschnallt zu sein… Wenn da einmal stark gebremst werden muss war’s das mit dem Kind.

  9. Eins hat der gute „TBB“ vergessen: auch Fahrraeder ganz ohne Bremsen sollen ab jetzt aus dem Verkehr gezogen werden plus Geldstrafe. Ja, auch das gibt’s in Japan „bremsenlose Drahtesel“. Aus welchem Grund und mit welchem Zweck diese Dinger durch die Gegend rasen entzieht sich meinen Kenntnissen *_*!

  10. Meine Prognose: Nichts wird sich ändern. Gar nichts.
    Denn, ein Gesetz, neu, alt, gut oder schlecht ist nur dann wirksam, wenn es auch in der Realität umgesetzt wird. Und das passiert hier in Japan (jedenfalls im Zusammenhang mit Verkehrsregeln) leider so gut wie überhaupt nicht. Nicht mal ihr lächerliches „jeden Monat am 10. kontrollieren wir verstärkt Verstösse von Radfahrern“ haben sie mehr als ein (EIN!) Mal durchgeführt…

  11. Ach.. ich habe es herbeigesehnt…
    Aber habe ich bisher eine Veränderung bemerkt? Nein -.-
    Ich bin immer noch gefühlt die Einzige, die auf der richtigen Seite fährt..
    Aber ich hoffe!!
    Jetzt muß ich mich nur noch mit den negativen Seiten abfinden..
    An eine roten Ampel halten wenn alles frei ist und ich doch nur nach links abbiegen möchte?
    Am Stopschild halten?
    Nicht mehr mit Regenschirm Fahrrad fahren? (Der ist doch durchsichtig!)
    Und dann bei den verrückten Autofahrern auf der Straße fahren und nicht auf dem übelst breiten Fußweg an der Hauptsstraße? (Der einzige, den es hier gibt und sicher nicht ohne Grund..)
    Na mal sehen..
    Generell finde ich das Fahrradfahren hier nicht stressig. Nach 2 Wochen hatte ich mich angepasst. Kein Problem. Selbiges beim Autofahren.

    • Deine Ausführungen enthalten m.E. zwei (zugegebenermaßen weit verbreitete) Denkfehler:
      1) Mit Regenschirm Radfahren ist OK, solange er durchsichtig ist
      Das Problem ist hier ja nicht so sehr die Tatsache, ob du siehst was vor dir passiert oder nicht. Für die meisten Japaner spielt das schon alleine deswegen keine Rolle, weil ihr Sichtfeld auch ohne Schirm nur ca. 1 Grad links und rechts und 2m nach vorne reicht. Es geht doch eher darum, dass du mit einer Hand nur sehr eingeschränkt Kontrolle über dein Fahrrad hast. Probier doch mal, mit nur einer Hand am Lenker eine Vollbremsung zu machen, weil ein Kind, Hund, oder Auto plötzlich Deinen Weg kreuzt. Zwei Möglichkeiten: Entweder du stürzt oder du bremst zu langsam und kollidierest mit dem Hindernis. Insbesondere auf Rädern ohne Rücktrittsbremse – so wie die meisten Mamachari.
      2) Bei den verrückten Autofahrern auf der Straße fahren
      Leider ist der Irrglaube weit verbreitet, dass es für Radfahrer auf dem Gehweg ungefährlicher ist, als auf der Straße. Das ist aus zwei Gründen falsch:
      Erstens kommt es nicht auf den absoluten Geschwindigkeitsunterschied zwischen zwei Verkehrsmitteln an, sondern auf den relativen. Ein Fahrrad ist mit 20km/h etwa 20km/h langsamer als ein Auto mit 40km/h. Demgegenüber ist es nur 16km/h schneller als ein Fußgänger mit 4km/h. Entscheidend ist aber, dass das Fahrrad halb so schnell wie ein Auto, aber fünfmal so schnell wie ein Fußgänger ist. Hier steht also Faktor 2 gegen Faktor 5. Und das macht einen massiven Unterschied hinsichtlich Reaktionszeit (bspw. zum Bremsen oder Ausweichen im Fall eines Hindernisses) und Aufprallgeschwindigkeit (falls es doch zu einer Kollision kommt).
      Zweitens ist ein Radfahrer auf der Straße viel besser sichtbar für die Autofahrer, als einer auf dem Gehweg. Somit ist die Wahrscheinlichkeit, von einem abbiegenden Fahrzeug erfasst zu werden erheblich geringer (habe den genauen Wert gerade nicht parat).
      Du bist also definitiv auf der Straße besser aufgehoben, als auf dem Gehweg. Auch wenn es die meisten Japaner nicht zu interssieren scheint, dass das sowohl logisch als auch gesetzlich gesehen die einzig richtige Wahl ist. Und natürlich ohne Regenschirm.

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