BlogAbschied von der Alien Registration Card? Gläserner Ausländer

Abschied von der Alien Registration Card? Gläserner Ausländer

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Jeder, der länger als 3 Monate am Stück in Japan weilte, kennt sie: Die 外国人登録証明書 (gaikokujin tōroku shōmeisho), auf Englisch liebevoll „Alien Registration Card“ (Ausländerregistrierungsnachweis) genannt, hier ein Photo selbiger in meinem allerersten Blogeintrag. Geht es nach dem Willen der Politik, soll diese im Rahmen eines neuen Gesetzes bald verschwinden. Beziehungsweise ersetzt werden. Das neue Gesetz, so es die beiden Kammern des Parlamentes passieren wird, hält einige wichtige Neuerungen parat:
1) Die Visafrist für Ausländer, die mit Japanern verheiratet sind oder mindestens ein japanisches Elternteil haben oder auf Dauer in Japan arbeiten, wird von 3 auf 5 Jahre erhöht.
2) Wiedereinreisegenehmigungen sind nicht mehr erforderlich, wenn man für einen Zeitraum kürzer als 1 Jahr ins Ausland verreist (bisher mussten diese Genehmigungen gesondert eingeholt werden)
3) Alles wird von der Ausländerbehörde geregelt: Vieles konnte man bisher im eigenen Wohnort erledigen (Statusänderungen und dergleichen). Das ist logischerweise umständlich für die Bürokratie. Aber nun wird es umständlich für alle Ausländer, denn die Ausländerbehörden sind sehr dünn gesät unnd ohnehin schon chronisch überlaufen. Angeblich sollen Statusmeldungen zukünftig aber wohl auch per Telefon und Internet machbar sein.
4) Ausländer werden ins Einwohnermelderegister aufgenommen – das war bisher nicht möglich. Mit dieser Massnahme sollte es, zumindest theoretisch, möglich sein, sich besser in seinem Wohnort zu integrieren. Ausländer werden somit z.B. auch in die Juki-Datenbank aufgenommen.
5) Die oben genannte Karte soll durch die 在留カード (zairyū kaado (etwa: Aufenthaltskarte) abgelöst werden. Pikantes Detail: Die Karte soll einen RFID-Chip enthalten, bestückt mit den persönlichen Daten des Trägers.
Gerade dieser Punkt hat es in sich: RFID’s enthalten einen Transponder, will heissen, sie können berührungsfrei und mit einem geeigneten Scanner auch aus ein paar Metern Entfernung ausgelesen werden.
Japaner müssen nachwievor keine ID mit sich herumtragen, Ausländer müssen. Immer und überall. Das soll auch bei den neuen Karten der Fall sein. Wer ohne erwischt wird, zahlt bis zu 200,000 Yen (1,700 Euro) Strafe.
Gerade diese Chipkarte macht mir doch allerhand Sorgen: Man braucht nicht viel Phantasie, um zu sehen, was gemacht werden kann: Unauffällige Scanner, die an den grossen Bahnhöfen aufzeichnen, welche Ausländer (und nur die) wohin gehen und woher kommen. Polizisten, die mit einem kleinen Handlesegerät sich gerne (offensichtlichen) Ausländern nähern. Ganz zu schweigen vom potentiellen Missbrauch – RFID-Scanner gibt es überall zu kaufen, und bis der erste den Code knackt, wird es nicht allzu lange dauern.
Viel wird man dagegen nicht machen können. Maximal eine Kartenhülle kaufen, die die Karte vor Lesegeräten unsichtbar macht (gibt es, und ich werde einer der Ersten sein, der das macht). Aber wie immer steht ja das lustige Argument im Raum „Wer nichts zu befürchten hat, braucht nichts zu verstecken“.
Orwell, 1984. Japan, 2009. Bald in diesem Theater.
Zum Weiterlesen:
Feuilleton in der Japan Times zum Thema, vom 16. Mai
Wörter des Tages: Siehe oben.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

19 Kommentare

  1. Naja prickelnd ist das mit dem RFID-Chip natürlich nicht.. aber voll im Trend.
    Und wenn man sich ansieht was so in Deutschland abläuft…
    bei den normalne Nachrichten und den Forderungen gewisser Politiker bekomme ich eine ganz fette Gänsehaut.
    Mir vergeht da die Heimweh sehr schnell (ok existiert sowieso nicht)
    http://www.dubistterrorist.de/

    Wie du sagst 1984 kommt wohl „nur“ 25 Jahre später.
    Am besten übrigens wenn der von Apple patentierte Display überall Pflicht wird.
    Der mit der in der Bildschirmfläche unsichtbar eingebauten Kamera!
    http://www.heise.de/newsticker/Apple-erhaelt-Patent-auf-Display-mit-Bildsensoren–/meldung/138191

  2. Bei manchen kritisierten Entwicklungen – jetzt über Deutschland – (z.B. eindeutige Steueridentifikationsnummer) sehe ich ja noch einen Sinn dahinter, aber der bei RFID will sich mir nicht erschließen. Sobald der ePA (elektronischer Personalausweis) in Deutschland kommt, werde ich mir auch eine Hülle dafür besorgen / machen.

    Kann ja nicht angehen, dass jemand (v.a. große Institutionen…) meine Daten überall, ohne dass ich es merke, auslesen kann oder mich gar verfolgen kann. Interessant wird die Sache übrigens auch, wenn es Hacker mal schaffen sollten, aus Interesse die Daten auf so einem Chip zu ändern, also die Verschlüsselung zu knacken. Sobald sich das ein Cracker zu eigen macht, kann er mir durch das Ändern meiner Daten schaden. (vgl. Film „Das Netz“ (the Net))

    PS: Deine Vorschau-Funktion führte mich eben ins Leere.

  3. Keine Sorge, auch Japaner werden früher oder später mit RFIDs rumlaufen (müssen) – die Entwicklung geht weltweit in Richtung mehr Kontrolle, leider … in Japan dauert es bloss etwas länger, weil sich die japanische Bevölkerung bislang sehr einfach kontrollieren lässt, trotz prekären Verhältnissen für einen grossen Teil der Bevölkerung regt sich kaum Widerstand.

  4. Also ich verstehe den Aufruhr nicht ganz. Es steht jedem frei zu leben wo er will. Hat er sich fuer das Land Japan entschieden, dann soll er doch gefaelligst auch mit den Regeln dort leben…

    Vielleicht sehe ich die ganze Sache zu sehr aus meiner privaten Sicht, aber ist der RFID Chip (der auch fuer japanische Staatsbuerger geplant ist), der einzige Aufhaenger? Alle anderen Dinge (Suica, Handy’s, Point Cards etc..) stoeren dich nicht? Mit den Karten geht das genauso einfach, und du bist schon glaeserner als du wahrscheinlich denkst.

    Was ich damit sagen will ist, dass man sich an das Land in dem man lebt auch anpassen muss. Und im Falle von Japan ist das umsomehr notwendig (alleine schon von der Gesellschaft, Kultur etc..)

    Du wolltest es so…

  5. Gegen den RFID-Müll ist kein Kraut gewachsen. Da reicht die Bildung von Politikern weltweit einfach net. Aber für sowas gibt es ja Hüllen und Denshi-Renji.
    Alle anderen Änderungen scheinen mir jedoch sehr begrüßenswert…

  6. Ist das überhaupt legal das nur Ausländer so eine Karte kriegen und Japaner nicht? Ich hab eben schnell einen befreundeten Jura Studenten angerufen und ihm davon erzählt der sagt in Deutschland würde so etwas auf jeden Fall gegen die Grundrechte verstoßen. Er will morgen mal einen seiner Professoren fragen. Aber mal ganz ehrlich das ist doch offensichtliche Diskriminierung wenn alle Ausländer in Japan auf diese Art und Weise markiert werden. Das erinnert mich irgendwie an den Judenstern den betroffene früher immer tragen mussten. Ich bin zwar ein Laie aber soweit ich weis gibt es doch die UN Konvention der Menschenrechte die auch von Japan ratifiziert wurde, und die enthält doch einen Artikel gegen Diskriminierung der auch so etwas abdecken müsste oder schließlich wurde die Menschenrechtskonvention nach dem Zweiten Weltkrieg mit speziellem Bezug auf den Holocaust verfasst. Das ist ein Fall für diesen Amerikaner aus Hokkaido hab seinen Namen vergessen was sagt der denn dazu? Ganz ehrlich je mehr ich darüber nachdenke desto mehr kommt es mir vor das das nicht legal sein kann. Wie auch immer ich werde morgen früh mal bei unserer Fakultät für Ingenieurwissenschaften nachfragen wie man so einen RFID Chip blockieren kann und werde es dann hier vermerken.

    Gruß
    Christian der jetzt an seine Familiengeschichte denkt und dem dabei ganz übel wird

  7. @Christian
    Japan ist bereits vom Menschenrechtskommissariat der UN deswegen öfter gerügt worden – offensichtlich ohne Konsequenzen.
    Du meinst Debito Arudo? Der ist natürlich auch ganz begeistert über die Chipkarte. Zu lesen bei debito.org.

    @Chikuwa
    Klar soll man sich an hiesige Gepflogenheiten anpassen. Natürlich werde ich auch die neue Karte immer mit mir herumtragen. Aber das ist weniger ein kulturelles Ding als ein politisches, und man muss, egal wo man lebt, nicht alles ungefragt einfach so hinnehmen.
    Der Unterschied zu Suica und Handy und Co. ist auch immens: Da kann jeder schliesslich selbst entscheiden, ob er so was immer am Mann hat. Es gibt hier eine schlichte Grenze zwischen Freiwilligkeit und Zwang.
    Ich arbeite übrigens im IT-Sektor, ich weiss, wie gläsern wir bereits sind.
    Dein letzter Satz ist übrigens ziemlich unglücklich formuliert, aber ich denke, den hast Du mit einer Prise Humor geschrieben. Das hoffe ich. Oder würdest Du das gleiche zu einem Ausländer in Deutschland sagen, der gerade von einem Mob durch die Strassen getrieben und anschliessend brutal zusammengeschlagen wurde?
    Vielleicht ist der Ernst der Lage nicht ganz bewusst: Hier geht es um fundamentale Menschenrechte. Und ich kann Christians Unbehagen mehr als gut verstehen.

  8. Geht eigentlich irgendjemand zu der Demo hin die von debito arudo organisiert wurde? Würde mich über einen kleinen Bericht freuen, wie es dort so war, wieviele leute teilgenommen haben, und vor allem wie viele Japaner dort waren. Würde ja selber hingehen habe aber eben erst davon erfahren und wohne leider in Europa die DB bietet leider keine Zugverbindung an.

  9. ein anderer aspekt den ich mal so in die runde schmeißen will: es sind genau diese art von politischen massnahmen, die absolut jegliche integrationspolitik zum scheitern verurteilen.

    ich habe mir erlaubt einen link zu diesem post auf meinen blog zu setzen. zwar gibts es für koreanisten grad interessantere themen (ex präsident beging scheinbar selbstmord), aber japan ist in asien in vielerlei hinsicht ein trendsetter. spätestens wenn die japanische und koreanische bevölkerung anfangen massiv zu schrumpfen und die heimische wirtschaft stärker als jetzt schon auf ausländer angewiesen sein wird, spätestens dann sollte ein umdenken stattfinden. bis dahin bleibt wohl nur kopfschütteln.

  10. Hallo nochmal,

    @Tabibito
    ich freue mich, dass du das auch so siehst. Ich meine, wenn man in einem fremden Land lebt, sollte man sich den Gepflogenheiten auch anpassen.

    Das mit dem Menschenrecht verstehe ich aber nachwievor nicht ganz – steht es dir nicht frei das Land zu verlassen und wo anders ohne RFID zu leben :-)
    (P.S – im neuen Reisepass der Bundesrepublik Deutschland ist auch RFID Chip – oh Gott :-)

    Ich kann mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, dass dermassen hohe Strafen fuer das „Nicht Mitfuehren“ dieser Card auferelegt werden.

    Desweiteren ist es weiterhin nicht klar, ob es wirklich ueberall RFID Scanner gibt, die deine Gewohnheiten und Aufenthaltspunkte tracken.

    Wenn du aus der IT Branche kommst (ein Kollege :-) sind dir desweiteren noch einige weitere FAQ’s bekannt (ich denke ich brauche nicht naeher auf die Spezifikation des RFID Chips eingehen), aber z.B. das Tracken ist schwerer als du vielleicht denken magst (Reichweite etc…).

    Ich persoenlich habe wie gesagt nachwievor kein Problem mit der neuen Karte, gerne duerfen sie meine Gewohnheiten tracken, das machen sie ja jetzt auch schon – ich habe nichts zu verbergen. Und hey, Camera’s sind dann nach deiner Menschenrechts – Theorie auch nicht erlaubt, oder?

  11. Danke für den Tipp wollte mich auch gleich auf die Socken machen und Stand schon am Bahnhof und hab Training für die Sprunggelenke gemacht, aber die DB hatte Verspätung und deswegen komm ich jetzt zu spät zur Demo also lohnt sich die Sache ja gar nicht mehr. Tja, so kanns kommen.

  12. RFID-Leser sind z.T. schon in Notebooks eingebaut, z.B. in mein NEC La Vie, mit dem ich meine PASMO und div. andere Karten ohne Probleme auslesen kann. Es existieren natuerlich schon Programme, mit denen man auch „geschuetzte“ Karten auslesen kann. Davon ab wird man in Japan eh schon praktisch ueberall erfasst und fotografiert: Ein-Ausreise, Mautstationen, zahllose Ueberwachungskameras. Bleibt nur die Frage (Sorge?), wie diese Daten verwendet werden. Wer oefters mal so eine Art jap. „XY-Ungeloest“ schaut, wird schnell merken, das praktisch in jedem Fall schon heute ETC, PASMO (Suica) und die vielen Aussenkameras an Kombinis benutzt werden, um Kriminelle dingfest zu machen.
    Bisher kann ich noch glauben, das dies hauptsaechlich meiner Sicherheit dient…..

  13. @Chikuwa
    „Das mit dem Menschenrecht verstehe ich aber nachwievor nicht ganz – steht es dir nicht frei das Land zu verlassen und wo anders ohne RFID zu leben :-)“ – na, das ist doch mal ein konstruktiver Lösungsansatz! Lasse ich mich dann also von meiner Frau scheiden und lasse mein Kind zurück, weil ein paar Politiker der Meinung sind, alle Ausländer sind potentiell gefährlich?

    Was die Kameras angeht: Der Punkt ist hier doch, dass nur eine bestimmte Gruppe aufgrund ihrer Herkunft anders behandelt wird als der Rest. Kameras zeichnen alles und Jeden auf – die neuen Karten hingegen müssen nur von Ausländern getragen werden, ganz einfach, weil sie Ausländer sind. Ob mit permanenter Aufenthaltsgenehmigung oder nicht ist da egal.
    Hier geht es nicht um Privatsphäre, die ist, wie Du es richtig bemerkst, ohnehin schon zum Teufel. Nein, hier geht es schlichtweg um Diskriminierung.
    Das ist auch nicht „meine“ Auffassung des Menschenrechts, sondern die der UN.
    Das mit der Strafe kannst Du glauben oder nicht – das ist einfach so. Praktisch wird das wohl kaum so angewandt, aber die rechtliche Grundlage ist da und kann jederzeit angewandt werden.

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