BlogVergesst Ikebana und Kalligraphie / Bananenwahn

Vergesst Ikebana und Kalligraphie / Bananenwahn

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Japan wird bewundert für verschiedene, einzigartige Künste: Ikebana zum Beispiel. Keramik. Kalligraphie. Schwertschmiedekunst. Usw. Eine im Ausland bisher leider kaum bekannte Kunstform ist die der Lunchbox: Da werden nicht einfach lieblos geschmierte Stullen (man errate meine Herkunft) in die Schachtel geworfen und noch ein Apfel dazwischengepresst – nein, da werden zig verschiedene Sachen zubereitet und liebevoll arrangiert, damit die kleinen Racker was zum zeigen auf dem Schulhof haben. Das muss man gesehen haben, um das zu glauben – hier eine Seite (leider nur auf Japanisch), auf der etliche Benutzer ihre fotografierten Kunstwerke vorstellen: http://www.yoppi.ne.jp/obento/minnano6.htm#minna-136. Wohlgemerkt, das war kein Wettbewerb und das waren keine besonderen Leute – alles ganz normale Durchschnittsmütter.
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In den letzten Tagen wurde es immer schwerer, schnöde Bananen erstehen zu können. Die gibt es auch hier sonst im Überfluss. Was war passiert? Haben Terroristen Bananenfarmen gesprengt? Wurden die Bananen in China verpackt? Nein! Alles begann auf der grössten SNS-Seite Japans, genannt Mixi – da unterhielten sich Freundinnen laut über eine Bananendiät.
Das machte (mal wieder) schnell die Runde; schliesslich sind Bananen billig. Und ruckzuck berichteten Zeitungen darüber und dann das Fernsehen. Ergebnis: Alle Bananenregale im Land ratzekahl leergefressen. Klasse. Es geht nichts über kollektiven Wahnsinn!
Das gleiche passierte schon einmal während der Natto-Diät-Volkshysterie (wobei diese Diät erwiesenermassen gelogen war).
Das Wort des Tages: キャラ弁 kyaraben – zusammengesetzt aus kyarakutaa (character) und bentō (Lunchbox) – ein Pausenbrot, dass wie ein Comicheld arrangiert wurde (siehe Webseite oben). Ja, selbst dafür gibt es ein Wort hier.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

12 Kommentare

  1. Die Bentos auf der yoppi Seite sind ja voll abgefahren :-) Passendes habe ich diese Woche auf Spiegel-Online gelesen:
    „Die Bentos sind an japanischen Schulen nicht nur einfach Mittagessen. Es kommt manchmal vor, dass ein Mädchen einem Jungen ein selbst zubereitetes Bento schenkt, das sie dann besonders kunstvoll herrichtet – in der Hoffnung, den Jungen beim Pausensnack näher kennenzulernen.“

  2. Wo nehmen die nur die Zeit her, solche Arrangements zu basteln? Du weißt hoffentlich was dir bevorsteht – mit Stulle oder Bemme kommste dann nicht weit!

    Wegen der Bananen hoffe ich nicht auf ein Überschwappen nach Deutschland. Ansonsten mache ich dich persönlich verantwortlich ;-)

  3. Jetzt weiß ich auch, warum ich gestern für meinen Joghurt keine Bananen bekommen hab, gabs die doch sonst immer günstig im nächsten 100en-kombini… :(

    Das mit den Obentô finde ich klasse… ich musste mir als Kind die Stullen immer selber schmieren. Das hier gesellschaftlicher Druck vorprogrammiert ist wurde ja schon weiter oben erwähnt.
    Naja, man kann halt aus allem auch nen Wettbewerb machen.

  4. Ahhh.. jetzt verstehe ich! Wurde seit gestern von meiner Frau auf Bananen Diät gesetzt (zum Glück mag ich Bananen).. Diät ist aber zuviel gesagt, einfach anstelle meiner Belegten Brote am Morgen gibts nun ein oder zwei Bananen. Was tut man nicht alles für den Hausfrieden….

  5. Ich liebe die Bentos – hammer! Wenn meine Mutter sowas für mich gemacht hätte?! Bei uns gabs Pausenmilch und nen Apfel!

    ps: Danke für den Eintrag – faszinierend!

  6. @Terry
    Die meisten Mütter arbeiten in Japan nicht (ist in meinem Fall nicht anders). Da muss die Produktivität irgendwo hin :-)

    @Felix
    Deine Opferbereitschaft ist erstaunlich!

    @Myriam
    Viel Gemüse, Fleisch, Fisch, Eingelegtes, Ei… garniert wird oft mit Nori (Algenpapier), mit dem man leicht Gesichter usw. „kleben“ kann

    @BigAl
    Der Hype dürfte sich auch schnell wieder legen! Jeden Tag Banane essen können mit ein paar Ausnahmen nur … na ja, dachte gerade an das Kongobecken… oder so

  7. Ergänzend möchte ich noch sagen, dass die Banane am Morgen gar nicht so schlecht ist ;-) ich spare ca. 5min Zeit in der Küche, welche ich auf dem Sofa beim nochmals einschlafen nutzen kann….(bin ein extremer Morgenmuffel der jeden Tag um 6.00 uhr aufsteht..)

  8. In der letzten Woche hatte ich Spätschicht (Arbeitsbeginn 13 Uhr…) und da ich vormittags viel Zeit und abends nicht wirklich viel Zeit zum Kochen hatte, habe ich mich auch mal selber mit Bentos beglückt. Zwar geht für die Bereitung der diversen Kleinigkeiten gut Zeit drauf, aber wenn man erstmal einen Vorrat hat, muss man ja nur noch das „Hauptgericht“ und den Reis kochen. Wobei man in Japan sicherlich viel leichter auf bereits fertigen „Kleinkram“ zurückgreifen kann, hier muss man ja so gut wie alles selber machen. Immerhin hab ich jetzt auch endlich mal etwas mit Konnyaku gekocht…

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