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Xenophobie in Japan – Kann man als Ausländer jemals Anschluss finden?

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Im Anschluss an diesen Artikel nebst Kommentaren über willkürlich erscheinende Sicherheitsmassnahmen vor allem bei Ausländern im Rahmen des G8-Gipfels halte ich es für sinnvoll, diese Frage nachzuschieben: Kann man als Ausländer jemals Anschluss finden in Japan?
Bemerkenswert fand ich einen Artikel von Debito Arudou bzw. den Verfasser selbst. Jener ist Amerikaner, spricht fliessend Japanisch und lebt seit langem in Japan. 2000 nahm er die japanische Staatsbürgerschaft an – hauptsächlich, um Land kaufen zu können. Das geht sonst nämlich nicht. Wer die japanische Staatsbürgerschaft annimmt, muss auch einen japanischen Namen erwerben – und so wurde aus seinem Namen David. C. Aldwinckle eben ‚Arudou Debito‘. Debito ist seit Jahren eine zuverlässige Informationsquelle für Ausländer in Japan und er kämpft mit viel Energie für die Rechte der Ausländer.
Zurück zu seinem Artikel. Da wurde er vor dem G8-Gipfel von der Polizei in Hokkaido gefilzt – und mit ihm viele andere Ausländer. Darüber beschwerte er sich bei den Behörden. Und ein Polizist entschuldigte sich bei ihm, nachdem er seinen japanischen Pass vorzeigte. Er konnte ja nicht ahnen, dass dieser Debito Japaner wie er sei.
Kann man also als Ausländer Japaner werden?
Rechtlich gesehen, ja. Man muss lange, sehr lange in Japan gelebt haben. Und man muss seine alte Staatsbürgerschaft aufgeben, denn doppelte Staatsbürgerschaft ist nicht erlaubt in Japan. Hat man diese Behörden(tor)tour hinter sich, kann man wählen und gewählt werden und sogar Land erwerben. Und man kann nicht mehr bei dem kleinsten Vergehen aus dem Land geworfen werden.
Rechtlich gesehen also ja. Und sonst? Wenn man des Japanischen mächtig ist (und ich meine nicht nur Alltagskonversationen) geht es auch. Meine Arbeitskollegen zum Beispiel vergessen oft komplett, dass ich Ausländer bin. Und fragen mich so zum Beispiel, wie es denn in meiner Grundschule mit den Erdbebenübungen aussah oder ob ich damals in den 80ern auch immer diese eine Serie im Fernsehen sah usw. Man wird nach einer Weile akzeptiert und nicht mehr exotisiert. Nachteil: Der Ausländerbonus verschwindet (kein „ja, bei uns ist das anders, deshalb…“ oder „tut mir leid, aber das hatte ich sprachlich nicht verstanden“). Vorteil: Man kann freier mit den Leuten umgehen und es arbeitet sich um vieles leichter.
Ist Ausländer gleich Ausländer?
Definitiv nicht. Koreaner und Chinesen haben es aufgrund ihres Aussehens natürlich wesentlich einfacher, sich unauffällig zu bewegen. Bürokratisch gesehen hilft ihnen das zwar nichts, aber sie müssen sich nicht unbedingt so fremd fühlen wie „Weisse“ oder „Schwarze“. Bekanntermassen gibt es auch bei den „Weissen“ Unterschiede – so werden Deutsche von vornherein eher akzeptiert. Warum eigentlich?
Gerne werden historische Gründe angeführt und die sogenannten deutschen Tugenden. Aber es sind auch andere Gründe: Zum Beispiel das Konzept des Umgangs miteinander. Das Prinzip des Siezens und Duzens und wer wann wen und wie ansprechen darf, ob mit Vor- oder Nachnamen, gefällt Japanern, und sie fühlen sich oft eher von Deutschen verstanden.
Ob man nun als Deutscher glücklich mit diesem Vor(ur)teil ist, liegt freilich ganz im Auge des Betrachters. Persönlich sehe ich es nicht ein, meine Staatsbürgerschaft zu verleugnen oder zu verschleiern, bin aber auch den darauf folgenden Reaktionen ziemlich überdrüssig.
Doch wie man es auch dreht und wendet: Ob man nur eine Woche in Japan ist oder 10 Jahre, ob man aus Albanien kommt oder aus Deutschland, ob man einen japanischen Pass besitzt oder nicht: Der Platz neben einem in der Anonymität der U-Bahn wird immer der letzte sein, auf den sich ein Japaner setzt. Und zwar nur dann, wenn es absolut sein muss.
Fazit: Kann man Japaner werden? Nein. Aber vielleicht sollte ich mich in einem anderen Artikel damit befassen, ob man das überhaupt will ;-)
Das Wort des Tages: 国際住民 kokusai jūmin – „internationale Bevölkerung“ – noch ist Japan nicht so weit.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

10 Kommentare

  1. Der alter Mann, der mich in Tokyo angesprochen hatte und mit dem ich ein langes Gespräch hatte (wie schon in anderen Beiträgen erwähnt), kam zum Schluß noch auf die Zeit nach dem Krieg zurück. Er klagte, wie unfair Japan und Deutschland von den Amerikanern im und nach dem 2. Weltkrieg behandelt wurden und erzählte dass er 2 Wochen nach Hiroshima vor Ort war (hätte beinahe angefangen zu Weinen als er das erzählte).
    Letztendlich hat Japan und Deutschland zum Schluß noch als Verbündeter gegen die Welt gekämpft. Ich denke durch dieses gemeinsame (wenn auch unrühmliche) historische Schicksal hat man auch heute noch als Deutscher einen gewissen Vorteil.
    Und wenn man noch weiter zurück geht, ist Deutschland ebenfalls ein Land mit geschätzter, gewachsener Kultur (Land der Dichter und Denker)

    Jetzt aber noch mal eine Frage zum Schluß: Ich habe während meiner kurzen Zeit in Japan Jugendliche mit Parker mit Deutschlandflagge und ein Fahrrad mit einer kleinen aufgedruckten Deutschlandflagge gesehen. Ich habe mich gefragt, was für ein Image hat Deutschland bei diesen jungen Leuten, dass die damit rumlaufen bzw. rumfahren, oder denken diese sich dabei nichts?

  2. …schoen, dass du den letzten satz nachgeschoben hast ;) die frage stellt sich naemlich wirklich… und auf den artikel bin ich schon gespannt :)

  3. Ich halte nichts davon eine Staatsbürgerschaft anzunehmen, nur weil ich ein paar (mehr) Jährchen dort lebe. Zum Beispiel Japaner zu sein bedeutet mehr als nur Japanisch sprechen zu können und einen jap. Ausweis mit sich herumtragen zu dürfen. Dies ist in anderen Ländern natürlich genauso.

    Wenn man erst spät ins Land kommt, dann ist man von der Heimat zu sehr geprägt um wirklich auch nach langen Jahren sagen zu können „Ja, ich bin XY.“.
    Lieber gibt man seine Wurzeln offen zu und ist höflicher „Gast“ als einen auf Pseudo-Japaner (um wieder konkret zu werden) zu machen. Meine Meinung.

  4. Ich war ja nur zweimal zu Besuch in Japan und hab dort nicht gelebt, aber während meiner Besuche hatte ich nie den Eindruck, dass die Leute xenophobisch auf mich reagieren würden. Eher das Gegenteil war der Fall: In der Kneipe war ich teilweise der Star des Abends, wildfremde Leute haben ihre paar Brocken Englisch zusammengekramt oder mir die Visitenkarte aufgedrängt. Höhepunkt war ein vorbeifahrender Schulbus mit ca. 12-jährigen Kindern, die mir kollektiv zugewunken und gejubelt haben, als wäre ich Brad Pitt! :-)

    Kann natürlich auch sein, dass der Umgang mit Ausländern je nach Region sehr verschieden ist (ich war auf Kyushu).

    Dass es aber auch für in Japan lebende Ausländer so viele Hürden gibt (kein Landbesitz?!) und dass man seinen Namen japanisieren muss, finde ich heftig. Total unzeitgemäß!

  5. die nationalität sucht man sich nicht aus, man wird damit geboren. ich kenne einige leute speziell einige mitstudenten die sich wünschen koreaner/japaner zu sein, einige bezeichnen sich sogar bereits als solche, aber in meinen augen ist das selbst-verblendung. anstatt zu versuchen jemand anderes zu sein, sollte man zu dem stehen wer man ist und was man hat.

    wenn man aus beruflichen, finanziellen oder sonstigen „praktischen“ gründen die staatsbürgerschaft wechselt finde ich das ok, in der modernen welt ist das für mich eh nur eine formalität was auf dem papier steht. wichtig ist einfach der hintergrund den man hat und da ist insbesondere der unterschied zu asien so riesig…

    auch auf die kommentare von asiaten (wow, du bist ja schon fast mehr koreaner/japaner als ich) braucht man nicht viel wert legen. der aussagewert, so schmeichelhaft sich das anhören mag, ist minimal. familie und die werte sowie verhaltensweisen die man in seiner kindheit aufnimmt bestimmen das leben und es ist kaum möglich das später übern haufen zu werfen und was neues drüber zu packen.

    deswegen, egal wie sehr man es möchte und wie sehr man sich auch anstrengt, es wird immer einige dinge geben die man entweder nicht versteht oder mit denen man nicht umgehen kann. die äußerlichen unterschiede geben dem ganzen den rest, wobei das mit der zeit verschwinden kann(!) wenn die gesellschaft sich an die multinationalität gewöhnt. berlin ist da ein musterbeispiel, denn für mich ist hier jeder ein „berliner“, egal wo er herkommt, aber ich glaube in der hinsicht ist die stadt auch sehr einzigartig.

  6. @Klaus
    Du beschreibst das typische Verhalten von Japanern, die einen „Gaijin entdecken“. Auch wenn das oberflaechlich nett und gastfreundlich wirkt, zeigen sie dir damit doch nur wie verschieden ihr doch seid. Da du (noch?) nicht in Japan gelebt hast, glaube ich, dass du noch nicht unterscheiden kannst zwischen „honne“ und „tatemae“.

    MfG

    @Artikel Sehr interessant. Wobei man vielleicht noch hinzufuegen sollte, dass die Person Debito Arudou scheinbar sehr kontovers gesehen wird.
    Ich freue mich auch schon auf einen Artikel, warum man kein Japaner werden moechte. ;)

  7. sehr, sehr interessanter artikel, besonders wenn man hierzulande viel mit ausländern und ihren rechten in der brd zu tun hat.

    bestimmte regelungen kann ich durchaus nachvollziehe, auch wenn dies scheinbar nationbalistisch wirkt – landkauf nur für japaner. hingegen habe ich kein verständnis für die notwendigkeit eines namenswechsels. gibt es dafür eine begründung seitens des staates?

    mir scheint auch aufgrund der kommentare die nichtasiatische ausländerdichte äußerst gering. sonst kann ich mir diese situationen überschwänglicher freude über einen fremdländer nicht erklären. werde da deinen artikel über den ausländeranteil in japan noch mal nachlesen.

    aber wie unterscheiden denn die japaner beispielsweise einen deutschen von einem briten? also ich hab da so meine schwierigkeiten der nationalitätenzuordnung aufgrund des äußeren erscheinungsbildes (ausnahmen bestätigen die regel).

    letztenendes ist es doch eigentlich egal, welche „sorte“ mensch man denn wegen irgendwelcher papiere ist. wie immer zählt doch der inhalt und nicht was drauf steht.

  8. „Aber vielleicht sollte ich mich in einem anderen Artikel damit befassen, ob man das überhaupt will“

    Ich schließe mich natürlich den anderen Kommentatoren an.
    Vote dafür :-)

  9. @Juergen
    Diese Kleidung mit Deutschlandfahnen hat rein gar nichts zu sagen. Die meisten Träger werden oftmals nicht mal wissen, welche Fahne das ist.

    @Uli
    Na da habe ich mir ja was eingebrockt…

    @Hamu-Sumo
    Sicherlich. Andererseits – wer möchte für den Rest seines Lebens Gast bleiben? In einigen Fällen ist der Wechsel der Staatsbürgerschaft verständlich. Nur so kann man zum Beispiel aktiv am politischen Leben teilnehmen.

    @Klaus
    Da muss ich Jakub leider recht geben. Ob man irgendwo durchreist oder sich irgendwo niederlässt sind gerade in Japan zwei sehr unterschiedliche Dinge.

    @Jakub
    Du sprichst mir aus der Seele. Und wie es scheint, sind Korea und Japan da nicht allzu sehr voneinander entfernt.
    Ja, Debito ist natürlich umstritten. Das sind Whistleblower allerdings immer. Ich könnte das zum Beispiel auch nicht so durchziehen.

    @Terry
    Das können Japaner freilich nicht. Auf den ersten Blick ist man als Ausl&aum;nder auf jeden Fall erstmal Amerikaner – in einigen Gebieten auf Hokkaido auch Russe. Da helfen nur klärende Gespräche ;-)

  10. zum Thema Xenophobie:

    Hmmm, bin ich besonders attraktiv?
    Für Europäer vielleicht, für Japaner warscheinlich schon wegen meines Riesenzinkens im Gesicht nicht. Trotzdem kann ich davon berichten, leibhaftige Japaner neben mir in der Tokioter U-Bahn sitzen gehabt zu haben. Wohlbemerkt, bei reichlich Platz im Abteil.

    Klischees halten somit nicht immer stand.
    Ich kann da aber auch nur aus der Touristenperspektive reden, die an Tabibito’s Erfahrungen sicher nicht heranreichen.
    Fakt ist, ich habe sehr hilfsbereite junge und auch alte Japaner erlebt, die ohne Aufforderung ihre Hilfe anboten.
    Ein älterer Herr z.B. bestand darauf uns seinen U-Bahn-Plan zu überlassen, obwohl wir davon bereits drei verschiedene in den Händen hielten.

    Das negative Pendant allerdings begann damit, daß meine Freundin in einem fast-food Restaurant ohne Grund von einer älteren Dame in schwarz in schroffem Gemecker aufgefordert wurde den Tisch zu verlassen, da sie sich anscheinend dort niederlassen wollte.
    Ich kam in diesem Moment von der Toilette zurück und platzte verwirrt in die Situation. Meine Freundin meckerte noch auf deutsch, als ich beschloss einfach nur ein Grinsen aufzulegen und uns Richtung Ausgang zu bringen.
    Ich bin kein Kind von Traurigkeit, aber in Anbetracht der drei (in schwarzen Edel-Anzügen mit Krawatte) Begleiter der Dame, zog ich es vor lieber die Klappe zu halten, anstatt mich vermutlich mit der Frau des regionalen Yakuza-Bosses anzulegen, die uns zu allem Überfluss wohl auch noch für Amerikaner hielt und ihr „selbstbewusstes“ Auftreten sicher nicht ohne As im Ärmel derart vehement ausspielte.

    Was mich angeht, kann ich sagen, daß das der einzige Fall von „Ausländerfeindlichkeit“ war, den wir zu spüren bekamen.
    Sicher aber, mag es anderen Leuten schlimmer ergehen.

    Klar, hinterliess dieses Erlebnis einen komischen Nachgeschmack, den ich im Endeffekt aber einfach unter „andere Länder, andere Sitten“ abbuchte.

    Man sagt Japan ja ein besonders schwieriges Verhältnis zur Integration von Ausländern zu, allerdings kenne ich auch Auswanderer, die nach einem Jahr wieder aus Dänemark zurückkahmen, weil es ihnen unmöglich war in den engeren Kreis der dänischen Sozialstruktur einzudringen.

    Insofern ist das Problem sicher nicht japanspezifisch, aber leider auch dort ein Bestandteil der Gesellschaft.

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