BlogWenn Marketingleute Amok laufen

Wenn Marketingleute Amok laufen

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Markant: Asahi-Hauptquartier (Foto: Wikipedia, CC-Lizenz)

Ein Mal, nur ein Mal, möchte ich bei einer Sitzung der Marketingfuzzis von アサヒビール株式会社 Asahi Breweries Ltd. dabei sein. Die Leute müssen doch vor Lachen nicht in den Schlaf kommen! Das fängt schon beim Hauptquartier der Firma (bei Asakusa/Tokyo) an. Da hatte jemand den grandiosen Vorschlag, den Büroturm so zu gestalten, dass er wie ein Bierglas aussieht. Das ist durchaus sinnvoll. Jemand anderes hatte jedoch noch einen viel besseren Vorschlag: Warum baut man daneben nicht eine Halle, und bezahlt einen superteuren Stardesigner, nämlich den Franzosen Philippe Starck, um der Halle noch eins draufzusetzen? Ein goldenes Stück … Scheiße? Aber nicht doch, sieht man doch sofort, dass das eine goldene Flamme sein soll! Ist ja auch klar, Bier – goldene Flammme… hhmmm. Ein paar verwirrte Japaner (um nicht zu sagen fast alle) sagen aus irgendwelchen Gründen trotzdem うんこビル (unko biru – Kackhaufen-Gebäude) dazu. Kunstbanausen.
Mal was ganz neues: Frisches Dosenbier!

Aber das war nur der Prolog. Die Kampagnen sind es, die mich dort gern mal Mäuschen spielen lassen wollen. Seit geraumer Zeit läuft die 鮮度実感パック Sendo Jikkan Pakku – „Fühle die Frische“-Packung-Kampagne. Der Kern: Asahi verspricht, innerhalb von drei Tagen nach Abschluss des Brauprozesses die Dosen auszuliefern und in speziellen Packungen zu verkaufen. Spezielle Packung = die üblichen silbernen Aludosen im stinknormalen Sixpack. Dosenbier? Innerhalb von drei Tagen ausliefern? Alle Achtung, liebe Marketingherren! Ob die Plörre in Dosenform innerhalb von 12 Stunden oder zwei Wochen ausgeliefert wird, dürfte ziemlich Rille sein. Aber nein – man macht einen grossen Zirkus draus, mit unendlich vielen, nervenden Werbespots und einer Webseite, auf der grossartig mit Kalendar und allem pipapo bekanntgemacht wird, wann „die nächste frische Ware“ erhältlich ist.
Was müssen sich die Marketingfuzzis dabei gedacht haben? „Mal sehen, ob uns die Leute den Mist abkaufen!“ – „Na, aber hallo!“.
Für den ungeduldigen Alkoholgourmet: Dose mit extragrosser Öffnung

Heute sah ich im Zug Asahi’s jüngsten Streich. Schon der Kampagnenname ist göttlich: „Direct Shot“. Der Clou: Die Trinköffnung in der Dose ist grösser als üblich. Und zwar am grössten in der Welt! Joho! Soll ja nicht an der Dosenöffnung liegen, dass man nicht schnell genug betrunken wird! Und da der deutsche Volkssport Dosenstechen ja noch nicht Eingang in die japanische Alltagskultur gefunden hat, muss man es eben anders, und zwar kultivierter, angehen lassen! Und so kann man sich den nächsten Verkaufsknüller schon ausmalen: Asahi’s Zaubertrunk Strong Off (7%-iges, kalorienreduziertes Bier) mit extragrosser Dosenöffnung! Wie sonst soll Mann die permanent überfüllten Züge und die zahllosen Überstunden – und die Frauen ebenjene Männer – ohne bleibenden Schaden ertragen können? Asahi, übrigens der Marktführer in Sachen Bier in Japan, hilft gern!
Aber halt – haben die Marketingfuzzis nicht etwa doch gewonnen? Immerhin schreibe ich hier gerade einen längeren Blogeintrag über den Verein! Nun, nicht ganz. Ich muss hier mal anmerken, dass ich Asahi’s beliebtestes Produkt, genannt Asahi Super Dry, überhaupt nicht schätze. Ein absolut furchtbares Gebräu. Asahi weist immer wieder darauf hin, wie man das Bier geniessen soll: Richtig kalt, so bei 0 Grad, mit eisgekühlten Gläsern. Das wiederum ergibt durchaus einen Sinn, denn bei normaler Bier-Trinktemperatur dürfte Asahi erst richtig schlecht schmecken.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

17 Kommentare

  1. Allein fuer deine Wortwahl bekommst du ein g+1 und mindestens zwei Gefaellt mir. Ach uebrigens wenn du mal das Asahi DRY BLACK in die Finger bekommst las es, schmeckt wie eingeschlafene Fuesse und macht Kopfschmerzen. Also mal liest sich…

  2. Ach, das Ding gehört zu Asahi! Ich hab mich, als ich davor gestand, gewundert, was die goldene Bohne da soll. Aber jetzt wo du’s sagst, es hat schon was von einem Würstchen der unappetitlichen Art…
    (Und jetzt muss ich an die japanische Version des deutschen Klassikers „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“ denken. 僕の頭にウンチを落としたのは誰だ?! :D )

  3. Wenn ich mal was allgemeines anmerken darf, kursive Kanji wie im Beitrag oben sind schlecht lesbar. Vielleicht könntest du mal den Style umändern? :-)

  4. @Thuruk
    Sorry, da hast Du natürlich recht. Hatte beim Blogumzug ganz vergessen, das CSS für diese Wörter umzuändern. Falls die Zeichen immer noch kursiv sind, einfach noch mal neu die Seite laden oder Cache löschen.

    • Bin mir nicht sicher ob die Farbe optimal ist, aber sonst bleibt wohl nur fett zu schreiben – jedenfalls ist’s jetzt gut lesbar. :-)

  5. Ach, wie schön, daß wir so gemütlich auf dem Lande leben und solche nervigen Werbevergnügen außen vor sind.
    Tja,ihr sollt eben kaufen, oder?
    Lieben Gruß
    margit

  6. Ein ähnliches Kunststück hat man in Korea gepflanzt: Direkt am Eingang zur Hauptstadtattraktion „Cheonggyecheon“ (ein künstlich angelegter Flusslauf mitten in der Stadt, sehr angenehm und täglich Treffpunkt für Couples) hat man eine künstliche Riesenmuschel als Symbol hingebaut – sieht ebenfalls aus wie ein Stück Vogel..xxx :- )

  7. Wie kann man nur einen Franzosen darum bitten, Bier geschmackvoll in Szene zu setzen? Für mich sieht das aus, wie: Denen sch.. ich aufs Dach

  8. @tabibito, nun sei doch nicht mal so pessimistisch ;-)) Für mich gibt es nichts schöneres als wenn ich in Narita ankomme, zuerstmal 2 Dosen 0.5l Super Dry zu kaufen (obwohl diese bei uns in der Schweiz bei Coop „nur“ 2.50ChF. kosten) und dazu einen grossen Sack „Beefjerky“ der Marke „Tengu“, mich mal in Ruhe hinzusetzten und all die Eindrücke zu geniessen, bis ich mich dann bequeme mich in Richtung Minamisakurai aufzumachen. Nein ehrlich gesprochen, sooo schlecht ist das Super Dry also nicht ;-)) Herzliche Grüsse

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